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Über 35 Jahre war der winzige Fiat 500 Nuova einer der schönsten Sympathieträger italienischer Lebensart. Ein Auto, das die Menschen liebten wie kaum ein anderes. Entsprechend groß war die Herausforderung, für das Kultmobil einen würdigen Nachfolger zu entwickeln, der aktuellen Sicherheitsvorschriften genügte und dessen Design ebenso schick wie schlicht war. Schließlich sollte der vor 40 Jahren enthüllte Fiat 126 die neue Doppelrolle der automobilen Basismotorisierung und eines eleganten, drei Meter kurzen Stadtautos ausfüllen – dies jedoch unter Beibehaltung des eigentlich überholten Heckmotorkonzepts. Eine Aufgabe, die der neue Winzling bravourös löste. Der geniale Nachwuchsdesigner Pio Manzù zeichnete die Grundlinien für den zeitlos eleganten Zweitürer, vom Fiat 500 F stammte der luftgekühlte 0,6-Liter-Zweizylinder und die Kunden fanden passende Kosenamen für den letzten europäischen Viersitzer mit luftgekühltem Heckmotor.

So mutierten in Deutschland beispielsweise die etwas besser ausgestatteten Fiat 126 zum Bambino und in Italien zum individuellen Personal 4. Als die Produktion bei Zastava in Jugoslawien anlief, glaubten die Käufer in der Form des nüchternen 126 ein winziges Bügeleisen, ein „Peglica“, zu erkennen. Die Slowenen wiederum erfreuten sich am flinken Floh „Bolha“. Dagegen rollten aus den polnischen FSM-Werken Bielsko-Biala und Tychy kleine Knirpse, vom Volksmund „Maluch“ genannt. Die FSM-Fiat eroberten die ganze Welt, in verschiedenen Ländern Osteuropas wurden sie als „kleine Polen“, in Kuba als „Polaquito“ und in Australien als „Niki“ verkauft. Auch die Österreicher konnten mit einer Spezialität aufwarten: Letztmals rüstete die Tradtionsmarke Steyr-Puch einen Fiat auf. Der Typ 126 erhielt einen Hauch mehr Hubraum und einen Tick mehr Leistung und verwandelte sich zur schnellsten Berggemse der Ostalpen. Mit 117 km/h Spitze waren die 18 kW/25 PS freisetzenden Steyr-Puch 12 km/h schneller als die 126er Fiat, endlich genug Tempo, um sich mit allen Citroën 2CV und Mini 850 messen zu können.

Dabei war die Vmax für Fiat-126-Fahrer eigentlich vollkommen gleichgültig. Vielleicht scheiterte das österreichische „Kraftpaket“ deshalb nach nur wenig mehr als 2.000 Einheiten und kaum zweijähriger Bauzeit. Auch ein wassergekühlter, 0,7 Liter großer und 19 kW/26 PS starker Zweizylinder im 126 BIS gab ab 1987 nur ein kurzes Gastspiel, dann hatte der traditionelle luftgekühlte Hecktriebler das Feld wieder für sich allein.

Für die 126-Piloten zählte viel mehr das zuverlässige Ankommen. Am eindrucksvollsten demonstrierten dies die vollbesetzten kleinen Knirpse mit gewaltigen Dachgepäckträgern, die nach dem Fall des eisernen Vorhangs unsere polnischen Nachbarn tausende Kilometer Richtung Westen und retour transportierten. Der Maluch machte sie mobil und dies zu erschwinglichen Kosten. Sogar Wohnwagen durfte der polnische Fiat ins Schlepptau nehmen. Todesmutig wagte er sich in blassfarbenen Tarnlackierungen auf die rechte Spur deutscher Autobahnen, wo er mit gemächlichen Geschwindigkeiten von 60 bis 80 km/h fast alle Lkw-Fahrer ausbremste und zu plötzlichen Überholvorgängen zwang. Noch langsamer unterwegs waren nur Fiat 126 deutscher Provenienz, die vom Kleinstmobilhändler Steinwinter in Stuttgart mit 250-cm³-Zweizylinder-Zweitaktern aus dem 1969 verblichenen Goggomobil ausgerüstet wurden. Die „Figo“ (Fiat-Goggo) genannten Fahrzeuge mit gerade einmal 10 kW/13,6 PS Leistung richteten sich an die Inhaber des bis 1954 ausgestellten Führerscheins der Klasse IV.

Allerdings stand der Fiat 126 nicht nur für automobile Bescheidenheit. Wem die „Normale“ oder scherzhaft „Povera“ (die Arme) genannte karge Serienausstattung nicht genügte, konnte den Typ 126 zum kleinen Lifestylestar aufrüsten. Allerdings erst nachdem der Nuova 500 im Jahr 1975 endgültig in den Ruhestand verabschiedet worden war. Jetzt gab es den 126 als schicken Stadtflitzer mit großem Faltdach, in bonbonbunten Lackierungen wie orangerot, tirolgrün oder schmetterlingsblau, mit kräftigen Kunststoffstoßfängern und seitlichen Gummileisten zum Schutz vor Parkremplern.

Ab 1980 folgten die Sonderserien „Red“, „Black“, „Silver“ oder „Brown“ mit edel wirkenden Lackierungen, feinen Zierstreifen und getönten Scheiben. Dieser Schmuck genügte, damit der Fiat 126 Bambino in Deutschland sogar dem englischen Mini und dem französischen Citroën LN den Rang ablief als populärster Kleinwagen für Großstadtboulevards. Zugleich besaß der Bambino weiterhin eine Alleinstellung als preiswertestes Automobil bei den laufenden Unterhaltskosten. Mit einem Normverbrauch von 5,4 Litern Normalbenzin auf 100 Kilometer war der kleine Italiener noch Anfang der 1980er Jahre sparsamer als die knauserigsten Diesel.

Während der Winzling in Westeuropa durch den neuen Fiat Panda ab 1981 in die Rolle eines Nebendarstellers gedrängt wurde, wurde der Fiat 126 in mehreren osteuropäischen Ländern zum ersten erschwinglichen Volkswagen. 1987 erhielt der kleine Italiener aus nun polnischer Fertigung eine praktische Heckklappe und umlegbare Rücksitze. Ein liegend eingebauter, neuer wassergekühlter Motor schaffte Platz für den zusätzlichen Gepäckraum unter der großen Heckklappe. Allerdings wurde die Produktion des wassergekühlten Zweizylinders nur vier Jahre später wieder eingestellt, da er zu Überhitzung neigte mit der Folge durchgebrannter Zylinderkopfdichtungen.

Obwohl Fiat mittlerweile den modisch- kantigen Cinquecento als Nachfolger des Fiat 126 eingeführt hatte, lief die Produktion des polnischen Maluch weiter, jetzt wieder mit luftgekühltem Triebwerk. Nach einem letzten Facelift im Jahr 1997 firmierte der Fiat unter dem Code 126 ELX, jetzt mit neuen Stoßfängern und geregeltem Drei-Wege-Katalysator. Erst am 22. September 2000 feierte der Fiat 126 mit der leuchtend gelb und rot lackierten Sonderserie „Happy End“ das Finale seiner fast endlos scheinenden Karriere. Seinen Nachfolger vom Typ Cinquecento hatte der Fiat 126 da bereits überlebt und alle seine Vorgänger mit der Rekordproduktionszahl von rund fünf Millionen Einheiten weit übertroffen.

Text: Spot Press Services/Wolfram Nickel
Fotos: Fiat/SPS

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