Lotti Huber: Diese Zitrone hat noch viel Saft! Deutscher Taschenbuch Verlag (dtv); 8,95 Euro.
Manchmal entdeckt man beim virtuellen Stöbern Bücher, die – vor Jahren oder Jahrzehnten gelesen – bis dato als lesenswert in Erinnerung geblieben sind. Und stellt erfreut fest: Das ist ja nach wie vor lieferbar! So geschehen im Falle der Autobiographie von Lotti Huber. Weswegen Sie an dieser Stelle keine Neuerscheinung, sondern ein Mitte der 90er erstmals erschienenes Buch finden.
Frauen aus Lotti Hubers Generation war üblicherweise die typische Hausfrauenbiographie vorbehalten. Wogegen nichts einzuwenden ist, wenn's passt. Die Welt der Lotti Huber, die 1912 als Charlotte Goldmann geboren wurde, war allerdings die des Theaters. Im Nazi-Regime geriet die Jüdin in die Fänge des Hitler-Regimes, wurde später freigekauft, ging ins Exil und kehrte erst in den Sechzigern nach Deutschland zurück. Mit fast 80 Jahren wurde sie einem breiten Publikum bekannt, trat in Filmen auf, veröffentlichte eine CD und eroberte sich mit eigenen Bühnenprogrammen eine Fangemeinde.
Wer sie erlebte, sah und hörte eine Frau, die kein Blatt vor den Mund nahm. An Lebenserfahrungen, auch den schlimmen, weise geworden, blieb ihr Bitterkeit zeitlebens fremd. Als sie vor einem Regisseur gewarnt wurde, weil der bekannt dafür sei, seine Schauspieler nicht nur zu fordern, sondern rigoros auszupressen wie Südfrüchte, konterte sie unerschrocken: Diese Zitrone (sie selbst) habe noch viel Saft. Und hatte den Titel für ihre Autobiographie. Ein gewisser Dickschädel mag ihr in die Wiege gelegt worden sein: Schon als Kind verweigerte sie sich den Kleidungskonventionen für Mädchen und schneiderte, was ihr gefiel, kurzerhand selbst. Sie wollte sich wohl fühlen.
Ein klein wenig fühlt man sich an Brechts unwürdige Greisin erinnert – jene Frau, die als Witwe nach einem konventionell gestalteten Leben noch zwei Jahre so verbringen konnte, wie sie selbst – und nur sie – das wollte. Lotti Hubers große Karriere, die sie sicher genossen hat, dauerte knapp zehn Jahre. Mit 85 Jahren ist sie 1998 in Berlin gestorben.