Liebe Leserinnen!
Liebe Leser!
Einen Tag vor dem Start zur Tour ist Lüttich ganz auf den „Grand Départ“, also den „Großen Aufbruch“ oder den „Großen Start“ der 99. Auflage der Frankreich-Rundfahrt eingestellt. Die breiten Ausfallstraßen sind markiert und ausgezeichnet zum Start des Prologs, zum Sammelplatz der großen Werbekarawane („caravane publicitaire“), zur Akkreditierungsstelle, zum Pressezentrum, zur sogenannten „Permanence“.
Wie immer kurz vor dem Beginn dieses riesigen Spektakels wird der gewaltige organisatorische Aufwand dieser Veranstaltung offensichtlich. Es grenzt jedes Mal an ein Wunder, dass dieser gewaltige Tross an Automobilen, Motorrädern, Teambussen, Lastwagen, Teilnehmern und Tausenden von Besuchern am Auftakt-Wochenende in die richtigen Kanäle und Ströme dirigiert werden kann. Dies alles geschieht mit professioneller Ruhe und Abgeklärtheit, ohne Hektik und Stress. Die handelnden Personen sind größtenteils seit Jahren, wenn nicht schon seit Jahrzehnten, ein Bestandteil dieses gigantischen Lindwurms.Um Ihnen zu Hause, die Sie die Tour vielleicht in den nächsten drei Wochen am Bildschirm verfolgen wollen, einen Eindruck von den Ausmaßen des „Unternehmens Tour de France“ zu geben, habe ich an dieser Stelle einmal ein paar Zahlen und Daten zusammengetragen, die sich vor allem mit dem Thema Bewegung und Mobilität befassen. Die 198 Fahrer (22 Teams mit jeweils neun Startern), die die Tour am Samstag aufnehmen werden, haben in diesem Jahr insgesamt 3.454 Kilometer vor sich. Durchfahren werden heuer drei Länder (Belgien, Frankreich, Schweiz).
Begleitet wird der Tross der Pedaleure von fünf Hubschraubern, 88 Materialfahrzeugen (neutrale und Team-Fahrzeuge). Hinzu kommen als Absicherung 54 Kradfahrer einer französischen Motorrad-Staffel, deren Mitglieder es als Ehre ansehen, die Tour begleiten und über die Sicherheit aller Beteiligten wachen zu dürfen. Automobil-Partner der Tour de France ist auch in diesem Jahr wieder die tschechische VW-Tochter Škoda, die auch die Funktionäre wie Tour-Direktor Christian Preudhomme in mächtig aufgerüsteten komfortablen Škoda Superb durch die Regionen fährt.
Neben dem Feld der Rad-Profis und deren gesamter Entourage gibt es die Werbekarawane, die sich etwa zwei Stunden vor dem Start einer jeden Tages-Etappe auf den Weg macht. Innerhalb dieses „rollenden Zirkus“ können sich die Partner der Tour mit schrillen, lauten und bunten Autos, Motorrädern oder auch ähnlichen Phantasie-Gebilden präsentieren. Die „Caravane Publicitaire“ besteht aus insgesamt 180 solcher rollenden Unikate. 600 Personen gehören zum mit viel Getöse durch die Städte und Dörfer rollenden Spektakel. Der Zug ist insgesamt 12 Kilometer lang, sein Vorbeizug an einer Stelle dauert rund 45 Minuten. Er wird noch einmal zusätzlich von 13 Polizei-Motorrädern begleitet. In den drei Wochen der Tour werden bis zu 15 Millionen Werbe-Artikel der verschiedensten Art und Größe unter das erwartungsvoll am Straßenrand wartende Volk geworfen.
Etwa 14 Millionen Zuschauer erwarten die Organisatoren in diesem Jahr auf den 20 Etappen (hinzu kommen zwei Ruhetage). Übertragen werden diese Tagesabschnitte in 190 Länder weltweit. Verantwortlich dafür sind unter den 2.300 akkreditierten Journalisten die Mitarbeiter/innen von etwa 100 verschiedenen Fernsehkanälen. Neu hinzugekommen sind in diesem Jahr Sendeanstalten aus Kanada, Albanien und – man höre und staune – der Mongolei. Ich stelle es mir schon recht ungewöhnlich vor, in einer Mongolen-Jurte in der Wüste Gobi zu sitzen, eine Schale mit Kamelstuten-Milch zu schlürfen und dabei den Zielsprint einer Tour-de-France-Etappe zu verfolgen.Derlei Köstlichkeiten werden wir in den nächsten zehn Tagen bis zum Erreichen der Alpen-Riesen nicht zu uns nehmen (müssen oder dürfen). Aber Frankreich und die Anrainer-Länder warten mit genügend lukullischen Details auf, die die harte Arbeit während und nach der Tour zumindest etwas erträglicher gestalten.
Text und Fotos: Jürgen C. Braun