Grandioser Einstieg in eine neue Ära des Tourenwagen-Rennsports und damit auch eine gigantische Plattform für die drei Premium –Hersteller Audi, BMW und Mercedes-Benz. 172.000 Zuschauer sahen am Wochenende beim Sieg des britischen Mercedes-Piloten Gary Paffett einen spektakulären Auftakt der neuen Saison in der Deutschen Tourenwagenmasters (DTM). Als sich Ende 2005 Opel angesichts der wirtschaftlich prekären Situation mit dem drohenden Verlust zahlreicher Arbeitsplätze aus der Szene zurückzog, hielten Audi und Mercedes-Benz die DTM sechs Jahre lang in einem faszinierenden Zweikampf nicht nur am Leben, sondern entwickelten die Serie und auch die Fahrzeuge stetig weiter. Mit der Rückkehr von BMW, das nach dem Ende seines Formel-1-Engagements vor drei Jahren um ein neues weltweites Schaufenster seiner Produkte und seines Standings als Produzent von Hochleistungs-Motoren bemüht war, streiten sich nun drei Hersteller und 22 Fahrer/innen fast auf Augenhöhe in einer der weltweit bedeutendsten Motorsportserien.
Dennoch: Für die Bayern begann die Rückkehr in den „großen“ Tourenwagenrennsport nach über 20 Jahren ziemlich glücklos. Der von Audi zu den Münchenern gewechselte aktuelle Champion Martin Tomczyk musste seinen neuen M3 ebenso wie der Mercedes-Neuzugang Bruno Spengler nach technischen Defekten abstellen. „Schade, ich hätte den vielen Fans gerne noch ein tolle Show hier am Hockenheimring geboten“, sagte der 30jährige Rosenheimer, der zuvor noch mit ansehen musste, wie seinem kanadischen Teamkollegen Bruno Spengler die Motorhaube davon flog und diesen damit zum Rennabbruch zwang. W-Pilot war somit der Brite Andy Priaulx als Sechster.
„Motorsport pur auf höchstem Niveau“ registrierte auch der in Hockenheim anwesende Formel-l-1-Rekordchampion Michael Schumacher, der ebenso wie sein Mercedes- GP-Kollege und Peking-Sieger Nico Rosberg die Fans auf den Tribünen mit ein paar schnellen Demo-Runden begeisterte. „Die Jungs in der DTM bewegen sich am absoluten Limit, davor kann ich nur den Hut ziehen Zum ersten Mal seit vier Jahren war die DTM zum Saisonstart mit komplett neu entwickelten Fahrzeugen, (Audi A5 DTM, BMW M3 DTM und Mercedes AMG C-Coupé) unterwegs. Hinzu kamen neue Reifen (Hankook) und ein erheblich modifiziertes Regelwerk. Die DTM verwendet zum neuen Jahr das Punktesystem der Formel 1. Für einen Sieg gibt es 25 Zähler, die Plätze zwei bis zehn werden folgendermaßen bewertet: 18-15-12-10-8-6-4-2-1. Bislang wurden nur die besten acht Piloten im Rennen bedacht. Beim größeren Starterfeld 2012 sollen es die besten zehn Fahrer sein.
Bei der DTM geht es aber neben Punkten, Pokalen und Triumphen auch und in erster Linie ums Prestige, um viel Image und die Beantwortung der Frage. Wer baut die schnellsten, schönsten und sportlichsten Fahrzeuge in der Autonation Deutschland? Wie wichtig die Serie für alle drei Hersteller ist, zeigt die Anwesenheit vieler Technik-, Finanz- und Entwicklungsvorstände aus München, Stuttgart und Ingolstadt an diesem Wochenende in Hockenheim. Die Firmenlenker in den Manager-Etagen, wissen was die DTM für sie wert ist. Weshalb auch die Münchener ihre 20 Jahre währende Absenz in der schnellen Tourenwagenszene sehr zur Freude der Fans und potenziellen Kunden beendeten.
Kein Wunder, dass alle drei Kombattanten die neue Saison eher als logische Fortsetzung der alten Deutschen Tourenwagenmeisterschaft mit einer lästigen jahrlangen Unterbrechung sehen. In den späten 80er und frühen 90er Jahren fuhren die deutschen Hersteller mit vergleichsweise seriennahen Fahrzeugen. Nähe zum Händler wird den Zuschauern auf den Tribünen und den Millionen an den Fernsehern auch in der neuen Dreier-Konstellation suggeriert. Indes haben Audi A5, BMW M3 und Mercedes C-Coupé herzlich wenig mit den Fahrzeugen zu tun, die man im Autohaus „um die Ecke“ erwerben kann. Das einzige Teil, das aus der Serie stammt, ist übrigens das Dach. Ansonsten sind alle Boliden Formel-Fahrzeuge mit Kotflügeln, Spoilern und jede Menge Hochleistungs-Technik aus allen Bereichen des Fahrzeug- und Motorenbaus.
Ungeachtet aller zahlenmäßigen Aufrüstung bemüht man sich gemeinsam um publikumswirksame Einspar-Maßnahmen. So haben sich die Hersteller darauf verständigt, 50 „Gleichteile“ zu verwenden. In allen Fahrzeugen kommen die gleichen Kohlefaserbremsen, Getriebeeinheiten, Steuergeräte für die Elektronik und einheitliche Flügel zum Einsatz. Mit etwa 480 PS dürfte auch die Leistung der Achtzylindermotoren in etwa gleich sein. Wohin die Reise letztendlich führen soll, hat BMW als Bedingung für seine Rückkehr gleich deutlich gemacht. Die für die DTM aufgebauten Fahrzeuge sollen in naher Zukunft auch in anderen Serien in den USA und in Japan an den Start gehen dürfen.
Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Bernhard Schoke