DTM und Alltag: Wie viel „Serie“ steckt in den Rennboliden?

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Nach sechs Jahren eines zum Schluss doch recht ermüdenden Zweikampfes zwischen den beiden deutschen Premium-Herstellern Audi und Mercedes-Benz beginnt am Wochenende eine neue Zeitrechnung in der Deutschen Tourenwagenmasters (DTM). Mit BMW kehrt ein ebenso engagierter wie kompetenter Mitbewerber in diese attraktive Rennserie zurück. Die Bayern mussten für den neuen DTM M3 viel technisches Know-how investieren und haben ein halbes Jahr lang fieberhaft an Auto und Antriebsaggregat gearbeitet. Den beiden Konkurrenten ging es mit ihren neuen Fahrzeugen, die an die Saison 2012 homologiert werden mussten, nicht anders. Was zwangläufig die Frage aufwirft: Wie viel Renntechnik steckt in den Serienfahrzeugen von Audi, BMW und Mercedes-Benz. Oder auch umgekehrt. Wieviel „Serie“ vertragen die hoch gezüchteten Tourenwagen-Flundern noch?

Fragt man die Motorsport-Verantwortlichen aller drei Kombattanten, dann behaupten sie unisono, der Motorsport sei für den Fortschritt in der Serienfertigung wichtig. Ist das nun nur „fishing for compliments“, ein Gag für die Marketingabteilung oder steckt doch mehr dahinter? Die Silhouetten der etwa 480 PS starken Rennwagen, die den „Schauraum-Modellen“ Audi A5, BMW M3 und Mercedes C-Klasse optisch nachempfunden sind und auch deren Namen tragen, sind allerdings ziemliche „Mogelpackungen“. Die Karosserie etwa besteht nicht aus Blech, sondern aus CFK-Kunststoff. Sie sind deutlich leichter, breiter, flacher, sogar um 30 Zentimeter länger. Und aerodynamisch viel ausgefeilter. Unter dem bunten Werbe-„Papperl“ stecken ein schwarzes Karbonchassis und ein hochfester Stahlkäfig. In gewisser Weise übernimmt die DTM sogar Technologie, die in Serienautos längst alltäglich ist: Die Gänge werden – zum ersten Mal in diesem Jahr – auch im Rennauto mittels Schaltwippen am Lenkrad gewechselt.

Audi betont immer wieder gerne, ausschließlich in Serien aktiv zu sein, die einen „engen Bezug zu den Serienfahrzeugen“ besitzen und so „einen Technologietransfer ermöglichen“, der in der Konsequenz dem Autokäufer zugute kommt. Deshalb gehört die Sportabteilung in den Bereich Technische Entwicklung der Audi AG. Deutlich wird die Zusammenarbeit im Karbon-Know-how. Das hochfeste Monocoque muss im DTM-Crashtest der Seitenaufprallenergie von 36 Tonnen widerstehen. Ein ähnliches Chassis steckt heute im Auto einer Audi-Tochter: dem (sündhaft teuren) Lamborghini Aventador. Auch BMW steht vor dem Karbon-Serieneinzug (dank einer neuen, günstigeren Verarbeitungstechnologie). Und die Ingenieure aus Stuttgart, München und Neckarsulm, wo sich das Audi Leichtbau-Zentrum befindet, testen Materialien und Verbindungen zuerst im Rennbetrieb.

Audi, BMW und Mercedes-Benz verfügen über Serienautos, die auf eine ähnliche Motorentechnologie setzen wie die DTM-Flitzer. BMW M3 und AMG C-Klasse von Mercedes röhren ebenfalls aus Achtzylinder-Triebwerken. Timo Scheider und Adrien Tambay fahren auch privat einen Audi A5, natürlich in der RS-Version, die 450 PS aus dem V8 auf die Kurbelwelle stemmt. Der Unterschied zum „Dienstfahrzeug“ ist da eher marginal.

Die mediale Aufmerksamkeit ist ein großartiges Werbeinstrument für die Autos in den Schauräumen der Händler. „Auf den ersten Blick mag sich nicht jedem Kunden erschließen, was ein DTM-Rennwagen mit einem serienmäßigen Audi zu tun haben sollte“, räumt Audi-Vorstandsmitglied Michael Dick ein. „Nicht immer sind es technische Meilensteine wie der quattro-Antrieb, die TFSI-Technologie oder der Ultra-Leichtbau, die ihre Wurzeln im Rennsport haben.“ Sondern kleine Details unter den 4.000 Einzelteilen eines DTM-Rennwagens. Und das ist ja auch schon eine ganze Menge.

Text: Jürgen C. Braun
Fotos: Bernhard Schoke

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