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Magnus Heier: Nocebo. Wer's glaubt, wird krank. Hirzel Verlag; 17,90 Euro.

Placebo? Klar – eine an sich medizinisch wirkungslose Substanz kann unter bestimmten Voraussetzungen Wirkungen entfalten. Aber Nocebo? Übersetzt heißt das ich schade. Und was es mit dem Nocebo-Effekt genau auf sich hat, erklärt Magnus Heier.

Der Mann ist nicht nur Medizinjournalist, sondern praktiziert zugleich als niedergelassener Neurologe. Und erlebt, welche Streiche einem Gehirn und Psyche spielen können, von daher in ganz besonderer Weise.

Da liest man eine Nebenwirkung auf dem Beipackzettel – und erlebt sie prompt an sich selbst. Oder man erhält von einem Heilkundigen, dessen Ausbildung – vorsichtig formuliert – fragwürdig erscheint, folgende Diagnose: Ihre Leber wird nicht genug durchblutet. Die gewählte Diagnosemethode – Handauflegen im wahren Sinne des Wortes – überzeugt den Patienten als Schmerzursache derart, dass sogar ein um Rat gefragter Arzt dagegen chancenlos bleibt.

Die moderne Medizin ist derart fortschrittlich, dass es gar keine gesunden Menschen mehr gibt. Hier ein Röntgenbild, dort ein CT, gerne auch drei oder vier Mal ausgeführt, dann ein Beipackzettel und schließlich ein großes Blutbild – wie soll man denn da noch gesund bleiben? Vor allem Privatpatienten werden immer von irgend einem Zipperlein geplagt werden – so lange sich ein Mediziner findet, der daran eine aufwändige Diagnose und eine langwierige Therapie festmachen kann, auf dass die Kassen klingeln.

Wer krank sein will, hat in der modernen Medizin alle Chancen dazu. Das ist der Nocebo-Effekt. Dem Autor ist hoch anzurechnen, dass er beim Entlarven des Nocebo-Effekts auch mit dem eigenen Berufsstand sehr kritisch umgeht. Denn: Alles, was einen krank erscheinen lässt oder verunsichern kann, hat beim wirklich Kranken seine Berechtigung. Allein die bildgebende Diagnostik rettet sicherlich Jahr für Jahr Menschenleben. Wer sich vor dem Nocebo-Effekt schützen will, suche sich einen Hausarzt, der sein Handwerk versteht, der auch mit dem Patienten zu reden versteht – und vertraue dem Hausarzt des Vertrauens auch wirklich.

Übrigens: Ausgerechnet an einer der schlimmsten Erkrankungen, an der gefüchteten fortschreitenden und unheilbaren Lähmung ALS, entdeckte Mediziner Heier während der eigenen Ausbildung den Nocebo-Effekt. An den ALS-Symptomen, die zum Curriculum gehörten, glaubte er kurzzeitig, selbst erkrankt zu sein. Und noch etwas macht den Autor sympathisch: Er, der mit seinem Buch auch dagegen anschreibt, als Arzt den Privatpatienten mit einem Goldesel zu verwechseln, betreibt selbst eine Privatpraxis.

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