Liebe Leserinnen!
Liebe Leser!
Eine der ersten Nachrichten, die uns in der vergangenen Woche auf den Schreibtisch flatterten, war von der Art, die man als Autojournalist am liebsten nie verarbeiten möchte. Es ging um den schweren Unfall des polnischen Formel-1-Kollegen Robert Kubica, der bei einer Rallye in Italien verunglückte und zahlreiche Brüche an rechter Hand, Arm und Bein davon getragen hat. Ob er seine Hand überhaupt wird jemals wieder so bewegen können wie das vorher der Fall war, kann derzeit noch niemand sagen. Ebenso wenig kann die Frage beantwortet werden, ob die Karriere des Polen überhaupt eine Fortsetzung finden wird.
Dieser Unfall, auch wenn er nicht in der Formel 1, sondern „nur“ bei einer lokalen Rallye stattfand, ist natürlich wieder Mühlen auf die Wasser derjenigen, die über die Gefährlichkeit des Motorsports und über Sinn und Zwick dieser „Raserei“ herziehen. Kein Mensch wird bestreiten, dass es riskanter ist, sich in ein Auto zu setzen, das mit 300 km/h unterwegs ist, oder mit auch nur 100 km/h an Mauern, Abgründen und Felsvorsprüngen vorbei zu rasen, als eine Runde Federball zu spielen. Zumal die Staatsanwaltschaft der betreffenden Region jetzt den erheblich beschädigten Škoda Fabia untersuchen lassen wird.
Es passt aber nicht in die Verhältnismäßigkeit der Mittel, jetzt den Motorsport als einzige so genannte „Speed-Sportart“ zu verdammen. Wo immer sich Menschen mit höherer Geschwindigkeit bewegen, als das im Alltag der Fall ist, ist eine latente Gefahr in Form eines schweren Sturzes mit unkalkulierbaren Folgen im Spiel. Als im vergangenen Jahr die Olympischen Spiele in Vancouver stattfanden, gab es einen Toten auf einer offenbar nur von Experten zu beherrschenden Bobbahn zu beklagen. Der alpine Skisport, dessen Beste sich derzeit in Garmisch-Partenkirchen bei der Weltmeisterschaft messen, liefert Bilder von Horrorstürzen frei Haus. Die Kandahar-Strecke weist zeitweilig eine Steigung von 90 Prozent auf. Von den vielen irreparablen Schäden, die im Boxring ihre Ursache hatten, erst gar nicht zu reden.
Wettbewerb ist (fast) so alt wie die Menschheitsgeschichte. Schon unsere Vorfahren mussten im Kampf um ein erlegtes Wild schneller sein als der Konkurrent, um das eigene Überleben zu sichern. Citius, altius, fortius: der aus dem Latein übersetzte Spruch „Schneller, höher, stärker“ gilt nicht nur für Athleten, die sich bei olympischen Spielen messen. Das Bestreben, immer neue Bestleistungen auf zu stellen, kann auch aus dem Sport heraus in die freie Wirtschaft transferiert werden. Doch wo Leistungen miteinander verglichen werden, um sie zu bestätigen oder bestehende Rekord zu verbessern, stößt der Mensch nur all zu oft an seine Grenzen oder an die der Technik.
Jetzt nach dem Kubica-Unfall wieder auf den „hirnverbrannten Motorsport“ verbal ein zu prügeln, heiße auch, den Sinn für die Realität zu verkennen, Viele Sicherheits- und Warnsysteme unserer Autos, mit den wir uns tagtäglich bewegen, wurden in motorsportlichen Extremsituationen erprobt und auf ihre Tauglichkeit hin geprüft. Sicher, niemand von uns möchte am eigenen Leib die Crashfestigkeit seines Kompakt-Pkw ausprobieren oder einmal erleben, dass der Airbag auch wirklich innerhalb von Millisekunden seinen Dienst tut. Ganz aus zu schließen aber sind tragischer Vorkommnisse dieser Art nicht. Und vielleicht wäre ja wirklich alles noch viel schlimmer gekommen, wenn das Fahrzeug des Polen nicht mit Sicherheitselementen ausgestattet worden wäre, die in Tausenden von Versuchen erprobt und getestet wurden. Auch das sollte bei aller gebotenen Fairness bedacht werden.
Ich wünsche Ihnen eine erholsame, und vor allem eine sichere Woche.
Ihr Jürgen C. Braun