Jutta Kleinschmidt: „Dakar“-Triumph jährt sich zum 10. Mal

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Es war einer der außergewöhnlichsten Tage des internationalen Motorsports. Ein Ereignis, das auch bis zu diesem Tage gängige und gültige Wertvorstellungen über Hierarchien in einer Männerdomäne außer Kraft setzte. Am 21. Januar 2001, heute vor zehn Jahren, gewann Jutta Kleinschmidt als erste Frau und erste Deutsche die „Rallye Dakar“.

Das weitläufige Restaurant am Ufer des „Lac Rose“ unweit der senegalesischen Hauptstadt Dakar, das Mitsubishi an jenem Abend für seine Werkspiloten Jutta Kleinschmidt und Andreas Schulz sowie die gesamte Entourage gebucht hatte, hatte so einen „Auflauf“ noch nicht gesehen. Als wir mit etwa 20 Personen eintraten, Jutta Kleinschmidt vorneweg, erhoben sich wie auf einen Schlag alle geschätzten 150 Gäste des Saales und spendeten lang anhaltenden, rauschenden Beifall. An Kleinschmidts Platz unseres langen, gemeinsamen Tisches stand ein Schild mit der Aufschrift: „La reine du sable“ – „Die Königin des Sandes.“

Die Diplom-Ingenieurin Jutta Kleinschmidt, damals 38 Jahre alt, war eher eine nüchterne, sachliche und praxisbezogene Frau. Aber als sie an jenem Abend durch das Spalier der ihr huldigenden Menschen schritt, und dann das Schild an ihrem Platz sah, musste sie doch ein paar Tränchen verdrücken. Und ihr Co. „Andy“ Schulz, bayerisches Urgestein, war wie vom Donner gerührt und murmelte so was Ähnliches wie „Is des a Freid …“

Der Sieg der in Monaco lebenden Deutschen veränderte damals die Welt des Motorsports. Gleichzeitig wurde der 21. Januar 2001 zum Vorzeigetermin ohne Verfallsdatum für die gesamte internationale Feministen-Bewegung. „La Kleinschmidt“, die kühle, berechnende Blonde, die bei dieser Auflage des Wüstenklassikers mit ehrlichen, sauberen und fairen Mitteln gegen ihren mit unlauteren Tricks agierenden ehemaligen Lebensgefährten Jean-Louis Schlesser in seinem Buggy triumphiert hatte: Gegen einen Mann, der die patriarchalischen Attitüden eines im nordafrikanischen Maghreb aufgewachsenen beduinischen Stammesfürsten an den Tag legte. Das warf sämtliche gängigen Rollenklischees über den Haufen.

Für Jutta Kleinschmidt änderte sich ihre persönliche und berufliche Welt von Stund an auf einen Schlag. Der Sieg der zierlichen jungen Frau durch 10.000 Kilometer Wüste, Steppe, Gebirge und Einsamkeit mit Tagesetappen von 800 Kilometer bei 50 Grad Hitze war kaum in die Welt gedrungen, da meldeten sich noch am gleichen Tag in Dakar die Agenturen und Vermarkter der großen Talkshows. Gottschalk, Jauch, Kerner: jeder wollte sie haben in seiner Sendung und jeder wollte der erste sein, der sie präsentierte.

Jutta Kleinschmidt versuchte in der Folge, stets das Image von der Frau in der Männer-Domäne zu verdrängen. „Seht mich als Gleiche unter Gleichen“, sagte sie immer. Als Motorsportlerin, als Ingenieurin, als Entwicklerin, auch als Person mit ganz außerordentlichen physischen und psychischen Ausnahme- und Ausdauerfähigkeiten.

Jutta Kleinschmidt wechselte später die Lager, ging von Mitsubishi zu Volkswagen und dann zu Sven Quandt und seiner BMW-Truppe. Der ganz große Erfolg, den sie vor allem mit VW zu wiederholen gehofft hatte, blieb ihr aus mehreren Gründen versagt. Heute hat sie ein anderes Metier für sich entdeckt. Aus der „Königin des Sandes“ ist die „Königin der Lüfte“ geworden, nachdem sie ihren Schein als Hubschrauber-Pilotin gemacht hat. Den 21. Januar 2001 aber wird sie wohl auch im Heli nie vergessen.

Über ihre Erfahrungen hat Jutta Kleinschmidt 2010 ein Buch veröffentlicht: Mein Sieg bei der Dakar – oder: Was Rallyefahren und Business gemeinsam haben. (Haufe Verlag; 19,80).

Text: Jürgen C. Braun

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