Liebe Leserinnen!
Liebe Leser!

Die meisten von uns haben sich doch bestimmt schon einmal mächtig darüber aufgeregt und geärgert, wenn es plötzlich am Straßenrand geblitzt hat und wir in Sekundenbruchteilen registrieren mussten, dass Vater Staat uns mal wieder in den Geldbeutel gegriffen hatte. Wobei es in diesen Fällen zu differenzieren gilt: Sinn- und hirnloser Raserei an besonders gefährlichen Stellen muss und soll auch Einhalt geboten werden. Wo es im Sinne der Verkehrssicherheit und der Erziehung der ewig Unbelehrbaren unumgänglich ist, Scheine zu nehmen und Punkte zu (ver)geben, ist das alles rechtens. Aber, um noch einmal auf das Eingangs-Postulat zurück zu kommen: Viele dieser Situationen spielen sich halt im Grenzbereich zwischen notwendigen Sanktionen und gemeiner Beutelschneiderei ab.

In diesem Zusammenhang hat im Laufe der vergangenen Woche ein Richter am Amtsgericht der westfälischen Kleinstadt Herford für Aufsehen gesorgt, als er in einem persönlichen Rundumschlag 40 geblitzte Temposünder freigesprochen hat. Begründung für diesen Massenfreispruch: Er halte Radarfallen für nichts anderes als Geldschneiderei und es gebe keine genauen Vorgaben und Regelungen, wann, wie und wo geblitzt werden dürfe, sagte Richter Helmut Kröner. Die Staatsanwaltschaft in Bielefeld will den Vorgang nun prüfen und für Rechtsklarheit sorgen, hieß es in einer entsprechenden Pressemitteilung

Wer schon einmal mit ihnen zu tun hatte, weiß, dass die Mühlen der Justiz im Allgemeinen recht langsam mahlen. Dennoch dürfte sich das Warten auf ein Urteil in diesem Präzedenzfall lohnen. Sicherlich ist nicht damit zu rechnen, dass wir alle in Zukunft in diesem Land freie Fahrt ohne prüfenden Blick auf die Tachonadel haben werden. Und das ist auch gut und richtig so. Denn dort, wo es um das persönliche Wohlergehen, um Leib und Leben von Kindern, alten Menschen oder Behinderten geht, ist Rücksichtnahme durch die motorisierten Verkehrsteilnehmer ein unbedingtes Muss.

Um uneingeschränkte Freiheit auf unseren Straßen und um lizenziertes Rowdytum hinter dem Lenkrad, so glaube ich, geht es dem streitbaren Amtsrichter in diesem Fall auch gar nicht. Aber die Grauzone zwischen Prophylaxe und Willkür sollte endlich einmal in einem terminus technicus fest gezurrt werden. Vielleicht also gelingt es mit Hilfe dieses Urteilsspruchs ein wenig Licht in das Dunkel der Ungewissheit zu bringen, wo denn nun die Vorsorge der allgemeinen Verkehrssicherheit endet und die unbotmäßige Fürsorge um Wohl und Wehe der kommunalen Geldsäckel beginnt.

Wir werden auf jeden Fall, liebe Leserinnen und Leser, weiterhin ein Augenmerk auf diese Geschichte haben und hoffen, dass sie nicht zur juristischen Provinzposse verkommt oder im Sande verläuft. Fürs Erste aber wünsche ich Ihnen ein erholsames und möglichst blitzfreies Wochenende.

Ihr Jürgen C. Braun

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