Buchtipp der Woche (1)

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Johann Caspar Rüegg: Mind & Body. Wie unser Gehirn die Gesundheit beeinflusst. Schattauer Verlag; 14,95 Euro.

Fast schon ein geflügeltes Wort ist der Witz, in dem eine vom Gatten genervte Ehefrau feststellt, dass der an einem Gehirnschlag schon mal nicht sterben wird. Freilich hat, wie viele Witze, auch dieser einen wahren Kern: Über das, was sich im menschlichen Gehirn abspielt, ist verblüffend wenig bekannt – in einem Zeitalter, in dem die Mediziner immerhin komplizierte Operationen mittels Schlüsselloch-Technik nahezu ohne Narben vornehmen und ehemals tödliche Infektionskrankheiten fast vollständig besiegt haben.

Dafür scheinen die Forschungen jetzt umso intensiver voran getrieben zu werden. Die Ergebnisse, soweit sie Johann Caspar Rüegg hier vorstellt, sind bisweilen schon sehr verblüffend. So ist der vielzitierte Placebo-Effekt alles andere als ein Heilmittel für eingebildete Kranke: Schon die Ankündigung, dass ein Medikament dem Patienten sicherlich schmerzlindernd helfen werde, führt zu einer Ausschüttung von körpereigenen Schmerzdämpfern – der Körper hilft sich selbst. Im Zweiten Weltkrieg haben Krankenschwestern sich diesen Effekt (ohne seinen Mechanismus wohl zu kennen) geradezu listig zunutzen gemacht: Wenn das nötige Morphium nicht zur Verfügung stand, spritzen sie den Kranken unter Hinweis auf die nun bald folgende Schmerzlinderung schlichtes Kochsalz. Die Linderung trat tatsächlich ein.

Geradezu erschreckend ist, was Gefühle wie Dauerstreß, Angst und Bedrücktheit im Körper anrichten können: Je nach Zustand der Blutgefäße kann eine Schreckensnachricht tatsächlich den sprichwörtlichen Herzinfarkt auslösen. Auf die Nachricht hin verengen sie sich, was tödlich enden kann, wenn zuvor schon eine Verkalkung vorlag.

Auch wer häufig erkältet ist, muss keine Verlegenheitsdiagnose befürchten, wenn der Arzt vor der Behandlung fragt, wie es denn mit dem seelischen Befinden aussieht: Wer sich nicht gut fühlt, steht unter permanenter Cortisol-Ausschüttung. Und dieses Hormon senkt die Infektabwehr, wenn es ausgeschüttet wird, wo es eigentlich nicht ausgeschüttet werden sollte.

Gut möglich, dass die Forschung in den nächsten Jahren noch viel Segensreiches hervorbringt. Rüegg zitiert Studien, nach denen womöglich Propranolol – eigentlich ein Betablocker – traumatische Erfahrungen im Gehirn auslöschen kann, die oftmals einer Angststörung zugrunde liegen.

Ein Ergebnis immerhin kann, auch dank der in den letzten Jahren immer mehr verfeinerten bildgebenden Diagnostik, als gesichert angesehen werden. Großmutters Spruch: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr stimmt nur bedingt. Wer sein Gehirn trainiert und geistig aktiv ist, tut sich lebenslang einen Gefallen: Denn bis ins hohe Alter können sich neue Nervenzellen bilden und kann das Gehirn – auch zum Positiven! – verändert werden. Nicht zuletzt solche Erkenntnisse, erfrischend klar formuliert und verblüffend anschaulich dargelegt, machen das Buch des emeritierten Hochschullehrers Johann Caspar Rüegg so lesenswert.

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