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Tanja Kuchenbecker: Le Fettnapf. Rowohlt Taschenbuch Verlag (rororo); 8,95 Euro.

Ist doch alles ganz einfach, wir sind schließlich Nachbarn. Dachte sich Tanja Kuchenbecker, als sie nach Frankreich zog. Tatsächlich aber musste die Journalistin erst mal regelrecht Slalom laufen, um nicht in Le Fettnapf zu treten. Denn davon gab es reichlich, vor allem solche, die sich erst enttarnten, als sie schon mit beiden Beinen drinstand.

Als Frau der schreibenden Zunft hatte Tanja Kuchenbecker außerdem besonders viele Gelegenheiten, unwissend einen Fauxpas zu begehen – gehören doch Einladungen aller Art bei Journalisten gewissermaßen zum Beruf. So wie es – unter anderem zum guten Gast gehört, der Gastgeberin Blumen mitzubringen, die man in ihrer Anwesenheit aus dem Geschenkpapier wickelt, um dann Papier und Flora separat, aber in einem zu überreichen. In Deutschland Usus, in Frankreich zutiefst irriterend: Dort, so musste Tanja Kuchenbecker lernen, gehört es zur Freude der Gastgeberin, das Auspacken persönlich zu übernehmen.

Beim Essen selbst ist auch eine gewisse Achtsamkeit geboten. Der Gast bringt Wein mit als Geschenk – statt oder zu Blumen? Gerne, aber erstens keinen allzu Preiswerten (der umgehend als wertlos eingestuft wird, auch wenn's ein leckeres Tröpfchen sein mag) und zweitens nur den, der zum Anlass passt. Was einen Anruf voraussetzt, um sich über das geplante Menü zu informieren. In Deutschland absolut unüblich, in Frankreich Usus.

Manche Regeln wiederum erweisen sich als geradezu unglaublich entspannt. Hektisches Abräumen leerer Töpfe und Schüsseln zwischen den einzelnen Gängen, auf dass die Gastgeber irgendwann entnervt und erschöpft auf den nächstbesten Stuhl sinken? Nicht doch. Das würde die Gemütlichkeit stören, weswegen leere Behältnisse niemanden stören, ebenso wenig die Baguettekrümel auf dem Tischtuch. Baguette essen, ohne zu krümeln, das schafft ohnehin kaum jemand, und wenn, geht die Geschicklichkeitsübung auf Kosten des Genusses.

Heftiger fiel da schon die Lektion aus, die sich Tanja Kuchenbecker in Sachen Autofahren einfing: Die Hamburgerin, an norddeutsche Disziplin gewöhnt, erfuhr alsbald, dass ihre Kolleginnen (die recht schnell zu Freundinnen wurden) die Straßenverkehrsordnung eher als unverbindliche Empfehlung denn als zu befolgendes Regelwerk erfuhren. Weswegen die Kolleginnen auch Methoden entwickelten, um der Verfolgung von Verkehrsverstößen zu entgehen. Die wiederum seien hier nicht ausgeführt, weil ausdrücklich nicht zur Nachahmung empfohlen.

Merke: Die Regeln eines uns nicht vertrauten Landes lernen wir erst durch Abgucken und Nachfragen kennen. Dann erschließen sie sich auch in ihrer Logik, ganz gleich, ob man diese Logik für sich akzeptiert. Was zu Hause gilt, gilt auch sonstwo – das geht als Benimmregel eher schief. Auch dann, wenn man's bis zur Landesgrenze nur ein paar Kilometer weit hat. Darüber ist Tanja Kuchenbecker eine sehr amüsante Lektion gelungen. Sicher auch deshalb, weil sie, die in ihrem Buch mit Selbstironie nicht spart, inzwischen weiß, wo Le Fettnapf lauert – und ihn treffsicher umgeht.

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