Erste Erfahrungen: Bentley Continental Supersports Convertible

Beitragsbild
Foto 1
Foto 2
Foto 3
Foto 4

Der Name Bentley steht nicht gerade für Verzicht. Wenn es um das Kampfgewicht eines 600-PS-Schwerathleten geht, ist allerdings jede Reduktion willkommen. Um rund 90 Kilogramm, also das Gewicht eines wohlgenährten Insassen, wurde das Modell gegenüber dem Modell GTC Speed erleichtert, gleichzeitig noch 12 kW/20 PS draufgepackt. Das Ergebnis: atemberaubend. Allerdings auch zum Preis von 242.000 Euro.

Für Besitzer von, sagen wir mal, Mittelklasse-Limousinen, ist der Unterschied zwischen einem Bentley mit dem Zusatz „Speed“ und dem „Supersports“ eher von akademischer Bedeutung. Beide sind in jeder Hinsicht gewaltig – nämlich schnell, luxuriös und teuer. Für einen Personenkreis, den der Hersteller auch unter weltweiter Betrachtung für überschaubar hält, ist der Unterschied deutlich größer, etwa so wie der zwischen „super“ und „mega“.

Die Differenzierung in immer mehr Varianten eines Modells folgt dem Beispiel einer Schwestermarke im VW-Konzern. Auch Lamborghini setzt seit einigen Jahren auf die Derivat-Strategie, die in Zuffenhausen erfunden und zur Meisterschaft verfeinert wurde. Mehr als ein Dutzend Varianten des klassischen 911er-Porsches sind gegenwärtig im Programm. So viele werden es bei Bentley sicher nicht werden, zumal es unter dem Sammelbegriff Continental noch die Limousine Flying Spur und das Coupé gibt. Der Supersports dient laut Bentley-Chef Franz-Josef Paefgen vor allem der „optimalen Marktausschöpfung“, denn er brauche „den Vergleich mit anderen Supersportwagen nicht zu scheuen“.Allen Continental gemein ist der Zwölfzylinder-Motor, der eigentlich für den VW Phaeton entwickelt wurde – und der durchaus Abnehmer benötigt, denn die Stückzahlen bei Phaeton und Audi A8 allein – den Touareg gibt es nicht mehr mit dem Sechsliter-Aggregat – reichen kaum aus, um die Investitionen zu rechtfertigen. Die Brennräume sind nicht wie bei einem V-Motor in zwei Bänken genau gegenüber angeordnet, sondern versetzt wie zwei ineinander geschobene V6-Motoren. „W12“ nennt sich das Technik-Kunstwerk, das mittels doppelter Turboaufladung wahlweise 410 kW/560 PS, 447 kW/610 PS oder – wie beim Supersports Convertible – 463 kW/630 PS abgibt.

Doch Leistung ist nicht alles. Auch das sportlichste Cabrio kann abnehmen: Zehn Kilogramm Einsparung bringt die Verwendung von Keramik-Carbon-Bremsen, 20 Kilo die 20-Zoll-Leichtmetallfelgen im Zehn-Speichen-Design. Gar 45 Kilogramm werden eingespart durch die Kohlefaser-Schalen, die als Vordersitze dienen. Ein gewagtes Projekt, denn stets sollen Luxus und sportlicher Anspruch im Einklang bleiben. Und mögen sie auch noch so spartanisch und unnachgiebig anmuten, sie sind mit feinem Soft-Touch-Leder bezogen. Die Türen sind schwer wie eh und je, weshalb man das Fahrzeug besser nicht an einer Schräge abstellen sollte. Aller Leichtbau hat seine Grenzen, denn, so Franz-Josef Paefgen, „jedes unserer Autos muss den Marken-Charakter repräsentieren, sich so anfühlen, anhören und fahren wie ein Bentley.“

Letzteres gewährleistet beim Supersports jene besondere Synthese aus Erhabenheit und Spritzigkeit, die es so bei keinem anderen Pkw gibt. Durch Modifikationen an Motor, Fahrwerk und Getriebe wurde die Agilität geschärft, doch im Komfort-Modus ist auch jene sänftenartige Bequemlichkeit zu haben, die vor allem das amerikanische Publikum schätzt. Sie machen mit etwa 35 Prozent der Bestellungen noch immer die größte Kundengruppe aus. Aber das Mutterland der Marke, England, ist nicht mehr auf dem zweiten Rang – denn auch China hat Gefallen an dem geflügelten Logo gefunden, wobei dort eher Vier- als Zweitürer angesagt sind.

Mit der um 50 Millimeter verbreiterten Spur liegt der Supersports noch satter auf der Straße, und das überarbeitete ZF-Getriebe wechselt die Gänge, wenn es sein muss, in weniger als 100 Millisekunden. Das ist nicht weit entfernt von aktuellen Doppelkupplungsgetrieben. Was die Kraftübertragung noch nicht kann, ist die vorübergehende Stilllegung des Motors beim Ampelstopp. Stopp-Start wird bei Bentley also noch so lange dauern, bis diese Getriebe auch Drehmomente von 800 Newtonmetern und mehr übertragen können.

Das überarbeitete Getriebe kann beim Herunterschalten auch zwei Stufen überspringen, damit beim Wiederantritt sofort ein optimaler Drehzahlbereich zur Verfügung steht. Soll aus dem Stand der maximale Schub abgerufen werden, vergeht zwar eine kleine Denkpause, denn die beiden Turbolader brauchen Zeit zum Luftholen. Ab 2.000 Umdrehungen pressen sie aber mit solcher Kraft die Verbrennungsluft in die Zylinder, dass man die Stabilität der Carbon-Sitzschalen zu schätzen lernt. Begleitet wird die Kraftexplosion von einer souverän bollernden Soundkulisse. Der kernige Klang ist unverzichtbar für eine Wuchtbrumme dieser Dimension, die flach ovalen Endrohre bieten leider kein optisches Äquivalent zu der akustischen Präsenz, sie sind schlicht zu bescheiden ausgefallen.

Bei der ausgiebigen Testfahrt unter freiem Himmel fiel auf, dass die Zugluft-Einwirkung im Innenraum selbst bei versenkten Seitenscheiben erstaunlich gering ist. Nicht überraschend hingegen fiel der solide Durst des Sechsliter-Zwölfenders aus. Wer sich häufiger mal den unwiderstehlichen Beschleunigungs-Kick geben will, sollte besser mit zehn Litern kalkulieren – je 50 Kilometer. Bentley hält sich zugute, dass der Supersports auch ressourcenschonend bewegt werden kann. Mit Bioethanol. Noch zeitgemäßer erschiene ein üppig dimensionierter Diesel-Motor, mit dem Paefgen gar kein Problem hätte: „Er bringt genau das, was wir typischerweise in einem Bentley haben wollen: Enormes Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen.“

Text: Spot Press Services/
Fotos: Bentley, SPS

Scroll to Top