Liebe Leserinnen!
Liebe Leser!

In dieser Woche stieß ich bei Recherchen auf ein Datum, das sicher nicht nur bei mir umgehend das Langzeitgedächtnis aktivierte: Vor 50 Jahren, ganz genau am 31. März 1960, öffnete in Gravenbruch bei Frankfurt/Main zum ersten Mal ein Autokino auf deutschem Boden seine Pforten.

Nun ist es vergleichsweise nicht gerade einfach, dem youtube-, twitter- und facebook-erfahrenen Nachwuchs beizubringen, was denn ein Autokino ist. Selbiges nämlich setzt voraus, dass die jugendlichen Kombattanten auf dem Feld der sms- und mms-Schlachten überhaupt schon Kenntnis vom Begriff des Wortes „Kino“ genommen haben und mit Sprachbildern wie Leinwand, Spätvorstellung oder Sperrsitz etwas anzufangen wissen. Für mich aber, der ich in den frühen sechziger Jahren, des vergangenen Jahrhunderts, noch der sonntäglichen Karl-May-Vorstellung mit Pierre Brice und Lex Barker entgegengefiebert hatte, tat sich bei der Nachricht „50 Jahre Autokino“ gleich eine ganze Welt voll cineastischer Erlebnisse der besonderen Art auf.

Im Kino, liebe Leserinnen und Leser, lernt man den Wert eines Automobils, wenn es denn steht, und nicht seiner eigentlichen Bestimmung, dem fahren nämlich frönt, erst so richtig schätzen. Zugegeben, oft habe ich so was nicht mitgemacht, denn bei uns Zuhause auf dem flachen Land war damals schon die Pkw-Dichte angesichts fehlender Autobahnen und geringen persönlichen Pendler-Aufkommens nicht gerade sehr hoch. Von einem Kino, in das man mit dem Auto hätte reinfahren können, ganz zu schweigen. Wir waren froh über unseres, in das man zu Fuß gelangen konnte, wenn es denn auf war.

Von einem einzigen Besuch einer solchen Einrichtung weiß ich allerdings doch noch zu berichten, wenngleich man über die näheren Umstände der damaligen zwischenmenschlichen Beziehungen heute besser das barmherzige Mäntelchen des Schweigens breiten sollte. Mit einer mir damals nahestehenden Dame besuchte ich kurz nach Olympia 1972 ein Autokino im Münchener Norden. Mein erstes Fahrzeug, ein VW Käfer Baujahr 1959, also kurz nach dem Ende des Brezel-Käfers, entbehrte nicht der üblichen Krankheiten dieses vierrädrigen Krabbeltiers mit schwindelerregenden 34 PS unter der Haube.

Dass sich jedoch die Heizung in diesem Gefährt, das noch über eine 6-Volt-Batterie unter dem Rücksitz verfügte, so gut wie nie abstellen ließ, erwies sich an jenem Abend als willkommene Beigabe. Wenngleich bei der Auswahl der Filme wohl schon vom Betreiber der Anlage darauf geachtet wurde, dass der Kuschel-Faktor möglichst hochgehalten wurde und der benötigte Temperatur-Ausgleich der Phantasie der Insassen persönlich überlassen blieb. Ich will Ihre Neugierde nicht länger auf die Folter spannen, liebe Leserinnen und Leser. Der Besuch des Autokinos war weder der Anfang einer lebenslangen Romanze noch der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, von der in der Schluss-Sequenz von „Casablanca“ die Rede ist. Nein, es war einfach nur ein Missverständnis unter jungen Leuten verschiedenen Geschlechtes.

Vielleicht aber lag es auch an der Auswahl des Films, dass aus dem kuscheligen Autokino keine bleibende Verbindung von Dauer und Wert entstehen konnte. Ich weiß heute noch, was gegeben wurde: „Die Nacht der reitenden Leichen!“

Ich hoffe, Sie verbringen ihr Wochenende in angenehmerer Gesellschaft als mit solchen Gestalten aus der Welt des Autokinos.

Ihr Jürgen C. Braun

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