Der Ton macht’s: „Geräuschkomponisten“ in der Fahrzeugentwicklung

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Autos werden immer leiser. Früher hörte man ein Fahrzeug schon vom weiten kommen – die Motor- und/oder Auspuffgeräusche warnten die anderen Verkehrsteilnehmer zuverlässig. Im Inneren hielt der Klapperton des Armaturenbretts oder das Pfeifen der Seitenscheiben den Fahrer bei langen Nachtfahrten wach und wenn das Motorengebrumme den Disco-Sound von den quietschenden Kassetten übertönte, wusste man, dass die Tachonadel nervös gegen die 120 km/h-Marke schlug. Diese akustische Fahrerlebnisse gehören heutzutage aber meist der Vergangenheit an, selbst moderne Kleinwagen geben sich leise und wohlklingend.

Dafür hat die Autoindustrie in den vergangenen Jahren viel Geld in die Geräuschdämmung, verbesserte Materialqualität und vor allen Dingen in die Erforschung der Akustik und ihren Einfluss für einen hohen Fahrkomfort investiert. Anlässlich des 20. Geburtstages des Opel Akustiklabors zeigten die Rüsselsheimer Ingenieure, wie aufwändig es ist, beim Fahrzeugbau immer den richtigen Ton zu treffen. Rund 200 Mitarbeiter, davon 50 Ingenieure, arbeiten hier unter der Leitung von Dr. Schönherr an einer wohlklingenden Fahrzeugkomposition. Lange bevor ein neues Modell in Serie geht, tüfteln hier die Spezialisten am richtigen und guten Ton.

Zum Beispiel die Autotür: Wie klingt es, wenn sie ins Schloss fällt? Scheppernd, dumpf oder mit einem satten Plopp? Schon dieser erste Geräuscheindruck kann entscheidend sein, ob ein Kunde ein Fahrzeug kauft – oder nicht. Einen Dröhnklang im Fahrzeuginneren kann sich heute kein Hersteller mehr erlauben. Noch bevor ein neues Modell vom Band läuft, werden deshalb beispielsweise die Innengeräusche genau berechnet und optimiert. Dazu überprüfen die Akustik-Ingenieure im Opel-Labor unter anderem buchstäblich jede Schraube im Fahrzeug. Verursacht die Motorenaufhängung einen unerwünschten Klang? Wenn ja, wie kann das geändert werden? Manchmal hilft eine kleine Gummimanschette, manchmal muss aber in Zusammenarbeit mit den anderen Ingenieuren nach neuen Lösungsansätzen gesucht werden. Umfangreiche Simulationen mit Computern helfen dabei, Misstöne rechtzeitig zu erkennen und zu eliminieren, noch bevor das Fahrzeug im vollendeten Blechkleid zur Hörprobe ins Labor rollt. So können vorab auch die Windgeräusche durch zahlreiche Optimierungseinheiten in der Simulation und vielen Stunden im Windkanal verringert werden. Auch hier zeigt es sich, dass die Mitarbeiter von Dr. Schönherr in Koordination mit den anderen Abteilungen agieren müssen. Die Außenspiegel, die am wenigsten Geräusch verursachen, müssen auch zum Design des Fahrzeugs passen und dürfen keinesfalls die Aerodynamik beeinträchtigen. Teamwork ist also gefragt.

Wichtige Mitarbeiter im Akustik-Labor sind die grünen Männchen. So bezeichnet Opel die grauen (!) Hightech-Kunstköpfe, die zwar nicht außerirdisch sind, aber dafür über ein außergewöhnlich feines Gehör verfügen. Mit ihren hochempfindlichen Mikrofonen, die die Köpfe in ihren Ohren tragen, lassen sich Geräusche exakt so aufnehmen und wiedergeben, wie sie von einem Menschen wahrgenommen werden. Bei den so gewonnenen Hörproben können die Ingenieure nicht nur zwischen direktem Luftschall und dem Körperschall, also der Schwingung der Karosseriestruktur, unterscheiden, sondern sie erfassen auch alle möglichen Übertragungspfade – unter anderem Motor, Motorlager, Auspuff, Fahrwerk, Karosserie und Leitungen. Bei komplexen Geräuschen können somit bis zu 50 verschiedene Übertragungspfade aufgezeigt werden bis jeder einzelne Geräuschanteil exakt dargestellt ist. Anhand dieser Ergebnisse lassen sich die gewünschten Änderungen zunächst virtuell vornehmen. Anschließend werden sie hörbar gemacht und wieder überprüft. Ist der richtige Ton gefunden, übertragen die Entwickler die Konfiguration des Transferpfad-Modells aufs echte Fahrzeug.

Zu ruhig darf es aber auch nicht werden. Hört der Fahrer den Motor nicht mehr, ist er eher irritiert – ein Problem, das zum Beispiel bei Elektroaggregaten auftritt. Mal abgesehen davon, dass andere Verkehrsteilnehmer ein sich näherndes Fahrzeug hören sollten, das gilt insbesondere für in ihrem Sehvermögen beeinträchtigte Fußgänger. Mittlerweile müssen die Akustiker sogar wieder Geräusche dazu komponieren: Ein satter Sechszylinder soll schließlich anders klingen als ein pfeifender E-Motor. Treten die typischen Motorengeräusche zu sehr in den Hintergrund, fallen andere Klänge umso deutlicher auf: Plötzlich registrieren die Insassen, dass die Klimaanlage nicht nur kühlt, sondern auch Lärm macht. Und das stört die meisten Autofahrer mehr als die gewohnten Motorklänge. Hier abzuwägen und den richtigen Ton zu treffen, ist nicht immer einfach. Die Arbeit für die Fahrzeug-Akustiker wird also nicht weniger.

Text und Foto: Elfriede Munsch

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