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Karl Lauterbach: Gesund im kranken System. Ein Wegweiser. Rowohlt Berlin Verlag; 16,90 Euro

Stellen wir uns den Autor Karl Lauterbach als Arzt vor, der das deutsche Gesundheitssystem wie einen Patienten untersucht, lauten seine wichtigsten Diagnosen so:

In Deutschland gibt es zu wenig spezialisierte Ärzte, wenn es um schwierige Erkrankungen geht. Zugleich werden zu oft zu teure Medikamente verschrieben, darunter auch solche, die noch nicht allzu erprobt sind. Das wiederum liegt nicht selten an der Pharmaindustrie, die das Marketing als Handwerk überaus gut beherrscht. Zugleich fehlen effektive Möglichkeiten, den Fortbildungsstand niedergelassener Mediziner wirksam zu überprüfen, anders gesagt, man weiß nie so genau, wie aktuell der Arzt informiert ist, der einen da gerade behandelt. Das Bemühen der Ärzte um Vorbeugung muss verstärkt honoriert werden und die Arbeit von Hausärzten ebenso, denn sie sind die Lotsen, die den Patienten bei Bedarf durch den Dschungel der verschiedenen Fachgebiete führen müssen, ohne dass der Überblick verloren geht.

Karl Lauterbach ist selbst Arzt, außerdem hat er in den USA das Studium der Gesundheitsökonomie absolviert. Für viele seiner Kollegen ist er – wegen erkennbarer Freude an der Provokation – freilich eine Reizfigur.

Das ist nicht verwunderlich. Indes werden die zum Teil erschreckenden Erkenntnisse von Karl Lauterbach kaum auf alle Mediziner zutreffen. Vor allem jene, die ihre Budgets zusammenhalten und gleichzeitig das Wohl der Patienten im Auge haben und für die regelmäßige Weiterbildungen genauso Pflicht wie Kür sind, werden sich mitnichten hier wiedererkennen. Auch Assistenzärzte, die während ihrer Notdienste eine Vielzahl von Patienten versorgen müssen, werden sich fragen, von wem da die Rede ist.

Auf die Diagnose am Patienten folgt der Therapievorschlag: Für Lauterbach ist eine Bürgerversicherung ohne Alternative. Heißt: Wer im Verdienst steht, soll sich auch solidarisch an einem Gesundheitssystem für alle beteiligen müssen und sich dem nicht entziehen können. Auch mit diesem Vorschlag hat er in der Vergangenheit für einigen Wirbel gesorgt. Darüber hinaus stellt er verschiedene Richtlinien vor, an denen sich Mediziner orientieren sollen, um bei einer Vielzahl häufiger Krankheiten effektiv und modern behandeln zu können. Auch mit der sogenannten Positivliste für Medikamente bei solch häufigen Erkrankungen (Volkskrankheiten) greift er eine immer wieder geäußerte Idee auf.

Weil das Buch aber im Untertitel Ein Wegweiser heißt, appelliert er wesentlich auch an die Leserschaft selbst, nicht alle Sorge um die eigene Gesundheit gleich dem Mediziner zu überlassen. Als Instrumente der Vorbeugung nennt er gesunde Ernährung und liefert mit der Ernährungspyramide nach dem amerikanischen Experten Walter Willett einen tatsächlich guten Orientierungsvorschlag. Auch die sportliche Betätigung, die Lauterbach anführt, werden viele seiner Kollegen in der Medizin ihren Patienten anraten. Den Gesundheitssport in den Schulsport zu integrieren, um Übergewicht schon im Kindes- und Jugendalter zu vermeiden oder zu korrigieren, dürfte mit der Notengebung – die ein wichtiges Ziel von Unterricht ist – allerdings kaum vereinbar sein.

Fazit: Eine Analyse und ein Ratgeber zugleich, in dem sich viele gute Grundüberlegungen zum System genau so finden wie Orientierungshilfen für Verbraucherinnen und Verbraucher. Den Königsweg zu einem optimalen Vorbeugungs- und Heilungssystem für möglichst viele Personen hat allerdings auch Karl Lauterbach hier nicht vorgelegt.

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