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vor wenigen Tagen jährte sich zum 50. Mal der Geburtstag eines Fahrzeugs, das deutlich sichtbar gemacht hat, wie nicht nur die Geschichte des Automobilbaus, sondern kulturelle und soziologische Trends und Meinungen, die Einfluss auf die große Weltpolitik hatten, oft miteinander verflochten sind. Ende August des Jahres 1959 war der Verkaufsstart eines Autos, das werksintern Projekt ADO 15 (Austin Drawing Office Project Number 15) genannt wurde. So wechselvoll und spannend seine Geschichte werden sollte, so unsicher waren sich seine Gründerväter bei der Namensgebung Ende der 50er. Unter den Logos seiner beiden Mutterhäuser Austin und Morris firmierte das Fahrzeug einmal als Austin Mini, dann als Morris Mini Minor. Geblieben sind allein die vier Buchstaben, die das Fahrzeug zum bekanntesten Automobil der britischen Insel machten: der Mini.

Ähnlich wie der Citroën 2CV oder der Fiat 500 war der Mini über Jahre und Jahrzehnte hinweg nicht nur Fortbewegungsmittel, er war auch mehr als Design-Ikone. Der Mini mutierte zu einem Stück soziologisch-kulturellen Programm. Der Sohn einer griechischen Einwandererfamilie, ein gewisser Alec Issigonis, begnadeter Ingenieur und Autodesigner gleichzeitig, schuf ein Auto, das zu Beginn seiner Laufbahn mehr durch seine Fehler auf sich aufmerksam machte, als durch die äußeren Umstände, denen es seine Existenz zu verdanken hatte.

Entworfen und konstruiert in einer Zeit, in der in England nach der Suez-Krise und der Sprit-Rationierung neue Kleinwagen Priorität genossen, offenbarte der Mini zunächst einmal alles das, was an einem Auto so gar keine Freude machte. Es regnete rein, die Bodenplatten der Karosserie waren falsch verschweißt, der Motor stotterte bei jedem kräftigen Guss von oben, weil sämtliche Dichtungen leckten. Was sollte man auch von einem Auto erwarten, das als Pinselstrich auf einer Serviette entstand und dessen Produktion in kürzester Zeit von oben durchgepeitscht wurde.

Im Lauf eines langen Autojournalisten-Lebens ist mir auch mancher Mini unter die Finger und den Allerwertesten gekommen und nie habe ich eigentlich öfter in einem Fahrzeug Platz genommen, an dessen historische Auswirkungen ich denken musste, als dies bei einem Mini der Fall war. Auch wenn die 2001 aufgelegte Wiedergeburt ein Meilenstein in der Geschichte der BMW Group war und sich das Fahrzeug als wirtschaftlicher Motor der angeschlagenen Münchener Autobauer erwies, so tut dies doch den Alleinstellungsmerkmalen des Ur-Minis keinen Abbruch.

Das Gefühl, beim Mini II in einem Fahrzeug zu sitzen, das eigentlich der Seele des Urvaters nie gerecht werden konnte und es auch niemals können wird, habe ich nie mehr so empfunden wie bei einem Mini der neuen Generation. Das war weder bei einem VW New Beetle der Fall oder einem Fiat Cinquecento. Mit dem Ur-Mini verbinden sich nicht nur Namen wie der der Beatles, (jeder der vier Pilzköpfe fuhr einen), wie die berühmten englischen Bobbies, wie Sir Bobby Charlton, dem einer vermacht wurde, oder dem Mager-Model Twiggy.

Der Mini war für mich stets mehr als nur ein Automobil, er stand – leider – auch für den Untergang des großartigen Imperiums der britischen Auto-Industrie. Die Britisch Motor Corporation (BMC), die schließlich in die ihrerseits später verstaatliche British Leyland Motor Corporation aufging, war so etwas wie das Symbol von Untergang der britischen Auto-Industrie und damit auch vom natürlichen Fortgang des Zerfallprozesses des weltweiten Commonwealth. Sinnbild der Agonie eines ganzen Weltreiches.

Derlei Gedanken gingen mir durch den Kopf, als dieser Tage – mitunter oft skurrile – Geschichten zum Thema 50 Jahre Mini in die Redaktionsstube flatterten. Kaum vorstellbar, dass eines der vielen stromlinienförmigen und gleichgeschalteten Automobile der Gegenwart dieses Attribut einmal für sich in Anspruch nehmen darf.

Ich wünsche Ihnen, egal mit welchem Auto Sie unterwegs sein werden, – es muss ja nicht unbedingt ein Mini sein – ein schönes Wochenende und einen guten Start in den IAA-Monat September.

Ihr Jürgen C. Braun

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