Liebe Leserinnen!Liebe Leser!

Als ich am Donnerstagmorgen bei der Eröffnung des neuen Nürburgring-Freizeitzentrums war, gingen mir viele Dinge durch den Kopf. Begebenheiten, die schon lange zurücklagen, aber auch Dinge, die durchaus in die Zukunft projiziert sind. Natürlich verbindet jeder, der sich ein bisschen mit dem Thema Motorsport auskennt, und von dessen Bazillus befallen ist, persönliche Erinnerungen mit dieser Rennstrecke. Weniger vielleicht mit der vor 25 Jahren eingeweihten neuen Grand-Prix-Strecke, sondern eher mit der legendären Nordschleife, die seit Niki Laudas Feuerunfall 1976 kein Formel-1-Rennen mehr gesehen hat.

Mein erster Besuch auf der Strecke, die ich als Berichterstatter mittlerweile seit vier Jahrzehnten regelmäßig besuche, war im Jahre 1964 im zarten Alter von 13 Jahren gewesen. Das Aufregende war eigentlich nicht so sehr das Rennen, der Große Preis der Tourenwagen gewesen, sondern die tagelange Vorfreude und die Anfahrt von zu Hause zu der etwa 100 Kilometer entfernten Rennstrecke in der Eifel. Unser Nachbar war ein passionierter Freund des Motorsports und hing, so sehe ich ihn heute noch vor mir, am Wochenende immer vor seinem Grundig Röhrengerät, um keine der Reportagen des damaligen WDR-Experten Günter Isenbügel zu verpassen. Zu einem Fernseher hatte es für ihn nicht gereicht.

Ebenso wenig wie für ein Auto. Doch schließlich durfte ich nach langem Bitten und Betteln zu Hause mit Nachbar Willi zum ersten Mal auf den sagenumwobenen Nürburgring fahren, von dem ich schon so viel gehört hatte. Ab und zu war auch einmal ein grobkörniges Schwarz-Weiß-Foto in der Zeitung gewesen, was meine Neugierde zusätzlich ins Unermessliche steigerte. Die abenteuerliche Fahrt dorthin verbrachte ich auf dem Soziussitz einer schon etwas in die Jahre gekommenen Horex Regina. Die Maschine mit dem 350er Einzylinder-Motor war lange Zeit das erfolgreichste Modell von Horex gewesen, das zum Zeitpunkt unserer damaligen Exkursion in die Eifel bereits von Daimler übernommen worden war.

Mangels Autobahn und dadurch bedingter Durchquerung etlicher Eifeldörfer via Landstraße machten wir uns schon mit dem Morgengrauen auf den Weg. Wie lange wir gebraucht hatten, bis wir endlich unseren Platz in der Hatzenbach gefunden hatten, und vor allem, wie lange es mit der 22 PS starken Maschine gedauert hatte, bis wir nach dem Rennen wieder zu Hause angekommen waren, entzieht sich heute meiner Kenntnis. Ich weiß nur eines. Ein solches Erlebnis ist prägend und unauslöschlich. Aber es schärft auch die Sinne und das Urteilsvermögen für die Dinge des Alltags, bei denen zeitlicher und körperlicher Aufwand in einem reziproken Verhältnis zu dem zu erwartenden Lustgewinn stehen.

An diesem Wochenende bin ich zum ich weiß nicht wievielten Male in den vergangenen vier Jahrzehnten auf dem Ring. Seine puristische Funktion als Inkarnation des reinen Motorsports hat das Areal längst verloren und ist zu einem Freizeit-Zentrum mit Eventcharakter für ganze Familien geworden. Das ist auch gut so, dient der Unterhaltung sowohl der Besucher wie auch der Rennstrecke. Ungeachtet aller Diskussionen um die Finanzierung des teuren Projektes in den vergangenen Wochen. Die Regina, also die Königin, ist der Nürburgring ohnehin stets für mich gewesen. Ob mit oder ohne Horex.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende. Und lassen Sie sich von derlei Schauergeschichten nicht davon abhalten, Dinge, die Sie sich vorgenommen haben, auf jeden Fall in die Tat um zu setzen. Sie könnten sich sonst später massiv ärgern, wenn Sie es nicht getan haben. Und selbst der gegerbteste Hintern verzeiht irgendwann einmal 12 Stunden Horex am Stück.

Ihr Jürgen C. Braun

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