Farbenwechsel in der Eifel: Super-Seb statt Rotkäppchen

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Michael Schumacher war bereits 26 Jahre alt, als er erstmals als Grand-Prix-Sieger auf dem Nürburgring antrat. Was nicht seine Schuld war, denn der Ring kehrte erst 1995 wieder in die Formel 1 zurück und der Kerpener feierte bereits 1992 in Spa-Francorchamps seinen ersten Formel-1-Erfolg. Sebastian Vettel wird dieses Privileg am Sonntag mit nur 22 Jahren genießen. Es ist nicht der einzige Unterschied zwischen dem frühen Schumi und dem frühen Vettel.

Der Hype um den Kerpener setzte erst so richtig ein, als dieser – schon im Besitz von zwei Titeln – von Benetton zu Ferrari ging. Am großen Hang des Deutschen zur Perfektion in allen Teilbereichen richtete sich die Scuderia lange Jahre auf. Schumacher selbst wurde mit fünf weiteren WM-Erfolgen zur lebenden Legende. Doch dem Odenwälder Sebastian Vettel wird am Wochenende das blühen, was dem Rheinländer in seiner frühen Zeit auf deutschen Rennstrecken zumindest noch einigermaßen erspart blieb: Rummel ohne Ende.Länger als ein Jahrzehnt sahen die Besucher jedes Formel-1-Rennens in der Eifel im wahrsten Sinn des Wortes rot. Rotkäppchen, wohin das Auge blickte, die Schumacher-Fans bestimmten die Szenerie. Am Wochenende wird die Marketing-Abteilung des österreichischen Softdrink-Herstellers, in dessen Brot Sebastian Vettel steht, dem gewohnten Anblick erstmals mit Macht entgegen wirken. Die PR-Strategen verleihen dem neuen deutschen Hoffnungsträger auf dem modernisierten Kurs Flügel. Sie verschenken nicht nur Kappen und – natürlich – Dosen mit dem bekannten Energy-Drink zu Hauf. Auch dem vor zwei Jahren eingeweihten Schumacher-S hat Super-Seb dank der Haus-Trommler schon etwas entgegen zu setzen: Bei seinem ersten Heimspiel als Grand-Prix-Sieger wird der Red-Bull-Pilot auf dem renovierten Nürburgring an einer eigens aufgebauten Sebastian-Vettel-Tribüne vorbei flitzen.

Nürburgring-Chef Walter Kafitz weiß, was er an dem jungen Mann hat, der die Schumi-Lücke schneller ausfüllen könnte, als das jemals einer der vielen selbst ernannten Experten nach dem Rücktritt des siebenfachen Champions geglaubt hätte. Sebastian ist wie ein Geschenk aus heiterem Himmel für uns. Er ist nicht nur ein begnadeter Rennfahrer, sondern geistreich, schnell und schlagfertig. Eigenschaften, die sich der junge Schumacher erst noch im Rhetorik-Kurs aneignen musste.

Zwar zeuge die Nachfrage von Tickets für den WM-Lauf in der Eifel noch nicht von einem Vettel-Boom, aber wir sind auf dem Niveau von 2007. Und das will in Zeiten der schweren Wirtschaftskrise etwas heißen. Es sei so ähnlich wie bei einem Heimspiel im Fußball, sagt Deutschlands neue Formel-1-Hoffnung: Man gibt immer 100 Prozent, aber vor den eigenen Fans will man natürlich besonders gut sein.

Während Vettel als frisch gebackener Silverstone-Triumphator auf den Ring kommt, werden die vier übrigen deutschen Fahrer Nick Heidfeld (BMW-Sauber), Nico Rosberg (Williams) Timo Glock (Toyota) und Adrian Sutil (Force India) sich die restliche Gunst des Heim-Publikums teilen müssen. Der Mönchengladbacher Nick Heidfeld, meist als einzig möglicher Schumi-Erbe angesehen, fährt in diesem Jahr um seine Zukunft auf der Strecke, wo er früher nicht nur Kart und Formel-Fahrzeuge, sondern auch Schlitten gefahren ist. Möglich, dass die Konkurrenz dies am Sonntag mit ihm tut. Text: Jürgen C. Braun

Fotos: Bernhard Schoke / Jürgen C. Braun

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