Nürburgring-Eröffnung: Gipfeltreffen von Lackschuh und Gummistiefel

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Großer Bahnhof für eine große Rennstrecke, die seit mittlerweile 82 Jahren für die Verkörperung ebenso großen und historischen Motorsport steht. Leider aber auch großer Unmut im Vorfeld und bei der Eröffnung des neuen ganzjährigen Hotel- und Erlebniszentrums Nürburgring vier Tage vor dem Großen Preis von Deutschland am kommenden Sonntag. Nach den zahlreichen Negativ-Schlagzeilen um die Finanzierung des 250 Millionen Euro teuren Projektes, die am Dienstag im Rücktritt des rheinland-pfälzischen Finanzministers Ingolf Deubel (SPD) gipfelten, sagte Ministerpräsident Kurt Beck bei der offiziellen Eröffnungsfeier am Donnerstag, er sehe dieses Kapitel jetzt als erledigt an und nun gelte es die Dinge aufzuarbeiten.

Am Donnerstag kam es bei dem mit großem Aufwand inszenierten Festakt zu einem Gipfeltreffen zwischen Lackschuh und Gummistiefel. Während rund um das pompöse Event-Center, in dem der Festakt stattfand und das den Namen eines führenden Bierbrauers trägt, zwischen Regenpfützen noch gewerkt und geputzt wurde, war der rote Teppich für die Ehrengäste nur einen Meter neben dran bereits ausgelegt. Der eigentlich für diesen Medien-Auftritt schon lange angekündigte Besuch von Formel-1-Chef Bernie Ecclestone war nach dessen skandalösen Äußerungen in den vergangenen Tagen kurzfristig abgesagt worden.

Doch auch so gab sich die Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Motorsport gegenseitig die Hand, wenn sie es denn rechtzeitig an den Ort des Geschehens geschafft hatte. Denn rund um den Ring herrschte zwischen Gabelstaplern und schwarzen Nobelkarossen das blanke organisierte Durcheinander. Ein Anfahrts-Chaos zwischen Bundes- und Kreisstraßen, Feldwegen und Eifelwiesen. Hinweisschilder, die sich gegenseitig aufhoben, fünf (!) verschiedene Security-Firmen, deren Bedienstete nichts voneinander wussten und sich teilweise gegenseitig kontrollierten und Hostessen, denen man vergessen hatte, Garderobe-Marken zu geben. Woody Allen hätte seine Freude gehabt in diesem Paradies des neurotischen Gipfelsturms.

Dass die sportlichen Belange am Donnerstag zum Auftakt des Großen Preis von Deutschland inmitten dieses mitunter peinlichen Szenarios nicht zu kurz kamen, lag vor allem an Deutschlands neuem Hoffnungsträger in der Formel 1, Sebastian Vettel. Der Odenwälder, vor wenigen Tagen gerade mal 22 Jahre alt geworden, ist der Mann, auf den am Ring in der Eifel gesetzt wird, in den kommenden Jahren. Dass trotz vier weiterer deutscher Fahrer und der beiden Premium-Hersteller BMW und Mercedes und eines zu erwartenden Zuschaueransturms am Wochenende kein Geschäft mit der Formel 1 zu machen ist, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Szene. Bisher unbestätigte 20 bis 45 Millionen Euro Antrittsgebühr für den Zirkus Ecclestone sollen die Rennstrecken-Betreiber angeblich pro Rennen überweisen müssen. Refinanzieren dürfen sie das jedoch nur über die Ticket-Einnahmen, die Vermarktung liegt – vertraglich festgelegt – nicht in ihren Händen.

Schöne neue Formel-1-Welt.

Text: Jürgen C. Braun

Fotos: Werk (Auswahl: Bernhard Schoke)

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