Jürgen C. Braun: Mein Tagebuch der Tour de France (2)

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Hafenrundfahrten haben in der Regel größtenteils etwas Romantisches an sich. So ein bisschen Hans-Albers-Feeling, ein paar Sequenzen Freddy Quinn, ein wenig Fernweh und ein paar Takte Junge, komm bald wieder in jenen abgelegenen Gehirnfalten, die für das Archivieren musikalischer Dateien zuständig sind. Am Montag war das alles etwas anders, auch weil wir keine große Zeit für Eindrücke der pulsierenden Mittelmeer-Schönheit hatten. Start zur dritten Etappe der Tour de France in Marseille. Eine Stadt wie ein Vulkan, überschäumend und brodelnd von Gestalten jedweder Herkunft und allen Hautfarben. Ein Sammelbecken menschlichen Durcheinanders zwischen Börsianern und Abenteurern. Über eines freuten wir uns ganz besonders: Darüber, dass wir uns in diesem Moloch keinen Parkplatz suchen mussten, sondern mitten im belebten Viertel Canebière unseren Peugeot 407 SW auf abgesperrtem Terrain abstellen durften, um per pedes zum Startareal vorzudringen.

Wie das bei den Millionenstädten so ist: Marseille konnte sich schon 33 Mal als Etappenort in die Tour-Geschichtsbücher einschreiben. Die Ligne de départ am Start war im historischen Hafengelände, dem vieux port, angesiedelt. Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, einmal in Marseille oder Umgebung weilen sollten, lassen Sie sich eine frühmorgendliche Fisch-Verkostung an der Quai des Belges nicht entgehen. Dort verkaufen die Fischer und ihre Frauen am frühen Morgen ganz frisch die Meeres-Erzeugnisse des nächtlichen Fangs. Optisch, akustisch und kulinarisch ein Genuss. Und auch Ihre Nase wird sich noch länger an diesen Aufenthalt erinnern.

Aber, nehmen Sie, wenn es irgendwie geht, öffentliche Verkehrsmittel. Marseille hat ein gut ausgebautes Netz von Linienbussen und eine Metro, die schnell und zuverlässig ist. Immer am vieux port oder direction Canebière – das ist der entsprechende Stadtteil – orientieren, dann haben Sie das touristische und das originäre, urbane Marseille ziemlich nah beieinander. Wer in Marseille dennoch mit dem Auto unterwegs ist, findet auch in vielen kleinen Gässchen oder abgelegenen Hinterhöfen eine der zahlreichen garages privés. Dort werden neben dem neuesten Renault Clio oder einem Peugeot trois cent huit (308) auch ein paar alte Wellblech-Kleinlaster Marke Citroën HY, einem Nutzfahrzeug von anno tuback, verarztet. Hier wirkt Marseille immer noch so, als sei die Zeit in Frankreich stehen geblieben, obwohl derlei Reparatur-Werkstätten längst mit modernsten Messgeräten ausgerüstet sind.

Bevor es am späten Dienstag schon wieder Richtung Heimat ging, stand noch ein besonderes Spektakel an, das schon seit vielen Jahren nicht mehr ausgetragene Mannschafts-Zeitfahren (siehe dazu Bilder links). Dabei durften wir dann auch in einem der offiziellen Škoda Octavia Kombis hinter dem deutschen Team Milram mitfahren. Als objektiver journalistischer Begleiter. Es ist schon toll, wie man das Interieur eines Fahrzeugs zweckgebunden für drei Wochen umrüsten kann. Da die sportlichen Leiter, die das Fahrzeug fahren, in diesem Jahr zum ersten Mal keinen Monitor haben, auf dem sie das Rennen verfolgen können, erledigt das ein Teammitglied, das im Fond sitzt. Dort sind nämlich jetzt die großen Bildschirme platziert, so dass der Fahrer nicht abgelenkt wird. Die Kommunikation zwischen hinten und vorn im Auto während des Rennens funktioniert aber reibungslos, um nicht zu sagen, dass die Beiden andauernd miteinander darüber quasseln, was sich auf der Straße abspielt. Da sitzt man dann am besten schön ruhig dabei und mischt sich nicht ein. Faszinierend, das alles direkt im Auto mitzubekommen, ist es aber allemal.

Doch die Tour hat jetzt erst einmal Pause bis das Formel-1-Rennen am Nürburgring am kommenden Sonntag über die Bühne gegangen ist. Natürlich werden wir Sie an dieser Stelle auch von dort mit möglichst interessanten Hintergrund-Geschichten unterhalten.

Ihr Jürgen C. Braun (Text und Fotos)

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