Buchtipp der Woche

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David Rieff: Tod einer Untröstlichen. Die letzten Tage von Susan Sontag. Hanser Verlag; 17,90 Euro

Genau 70 Jahre alt ist Susan Sontag, als sie erfährt, dass sie an einer besonders bösartigen Krebsart erkrankt ist, die eine Heilung unmöglich macht. Rund ein Jahr bleibt ihr noch, bis sie 2004 an der Erkrankung stirbt.

David Rieff, Sohn der Schrifstellerin, Kulturkritikerin und Philosophin, hat dieses Jahr aus der Erinnerung heraus aufgeschrieben, so, wie er das Sterben seiner Mutter erlebt hat. Er schreibt über die Wut seiner Mutter, einer Krankheit derart ausgeliefert zu sein, dass nicht nur keine Heilung möglich ist, sondern sogar die Möglichkeiten einer schmerzstillenden Behandlung sehr eingeschränkt sind – auch die Palliativmedizin kommt bei Susan Sontag an ihre Grenzen. Eine Frau, die lebenslang Grenzen nicht wirklich akzeptiert hat, wird nun unerbittlich dazu gezwungen. Zu den eindringlichsten Passagen des Buches gehört die Beschreibung der Diagnosestellung: Ein in der Sache zwar sicherer, aber im menschlichen Umgang ungeeigneter Klinikarzt spult vor der Patientin die Diagnose und Prognose ab wie ein Sprachautomat, der in der U-Bahn die Haltestellen durchsagt. David Rieffs Zorn richtet sich nicht gegen eine Krankheit als Schicksal, sondern gegen den Umgang damit. Und er beschreibt, was es für nahe Angehörige bedeutet, ein ganzes Jahr mit tödlicher Gewissheit verbringen zu müssen.

In Deutschland ist die Palliativmedizin gerade dabei, sich zu etablieren. Lange hat es gedauert, bis es dazu kam. Zu krass mag die Abkehr im Denken sein, die von den Medizinern dafür verlangt wird – beginnt die Palliativmedizin zur Verbesserung der Lebensqualität doch genau mit dem Eingeständnis, dass das oberste medizinische Ziel, die Heilung, nicht möglich ist. Zur Auseinandersetzung mit den Grenzen der Medizin und mit der eigenen Endlichkeit leistet David Rieff ein absolut lesenswerten Beitrag.

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