Der Krise zum Trotz: 79. Automobilsalon in Genf (Teil 2)

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Unter den avisierten 130 Europa- und Weltpremieren, die in diesem Jahr in Genf vorgestellt werden, sind auch die deutschen Hersteller wieder quer durch alle Nischen der Kunst des Automobil-Baus und durch alle Volumen-Baureihen vertreten. Die größte Spanne zwischen dem Anspruch an das neue Fahrzeug und der dafür notwendigen Aussagekraft des Bankkontos signalisieren zwei Exponate aus Wolfsburg und aus Stuttgart: Der neue Volkswagen Polo und die neue E-Klasse von Mercedes-Benz, die es nicht nur als Cheflimousine, sondern erstmals auch wieder als Coupé zu bestaunen gibt.

Die beiden deutschen Modelle sollen zu den Höhepunkten der Ausstellung im Nachbarland Schweiz sorgen. Der Polo als das neue Brot- und Butter-Auto, das sich in bisher ungewohntem Ausmaß am großen Bruder Golf orientiert und die E-Klasse, mit der Daimler-Chef Dieter Zetsche einen wahren Spagat vollbringen soll: Der Absatz der gehobenen Stuttgarter Business-Linie ist in den vergangenen Monaten dramatisch abgerutscht.

Dessen ungeachtet drängten sich an den beiden ersten Tagen Trauben von Menschen um das funkelnde Stück Blech aus dem Schwabenland. Ein Mercedes ist halt immer noch ein Anziehungspunkt auf jeder Autoshow, auch wenn der Stern auf und im Kühlergrill vielleicht schon bessere Tage gesehen hat. Der Daimler-Konzern sucht in den Zeiten der Absatzkrise händeringend nach neuem Kundenpotenzial, vor allem in finanzschwächeren Kreisen. Verbrauchsarme Motoren mit vier, sechs oder acht Zylindern sollen dabei ein wenig Sparsamkeit vorgaukeln. Ein Attribut allerdings, das bei Preisen zwischen 41.000 und 70.000 Euro irgendwie nicht so recht über die Zunge flutschen will.

Etwas leichter hat es da in der Rhone-Stadt Zetsches Wolfsburger Kollege Martin Winterkorn. Nicht nur, weil der neue Polo in einer völlig neuen Liga antritt, sondern auch, weil die Zukunft des Kleinwagens rosiger und deshalb gesicherter erscheint, als die der schwäbischen Limousine. Ganz einfach, weil die Zeit für Kleinwagen – auch dank Abwrackprämie – derzeit günstiger ist als die für Limousinen mit exzessiver Preisgestaltung.

Die neue Generation des Polo ähnelt dem Großen Bruder Golf frappierend. Sie hat vor allem dessen Konturen mit dem niedrigen Kühlergrill übernommen. Ein neuer, 1.2 Liter großer Dieselmotor, der weniger als vier Liter auf 100 Kilometer verbrauchen soll, trägt mit zum Sparpotenzial und damit zur Attraktivität des rund 12.000 Euro teuren Kleinwagens aus Wolfsburg bei. Damit entfernt sich der Polo nicht so sehr von der Preisgestaltung, wohl aber von der Anmutung her noch mehr vom darunter angesiedelten Fox aus dem eigenen Haus.

Einen fast schon aggressiv zu nennenden Schnitt legt der neue Ford Focus RS an den Tag, mit dem der ebenfalls schwer angeschlagene US-Konzern neben den Kleinwagen-Baureihen Fiesta und Ka in Genf das Publikum anlockt. Mit Fahrzeugen dieses Genres werden die Kölner zwar keine Absatz-Volumina erzielen, ihre Kompetenz auf dem Gebiet sportlicher Kompakt-Fahrzeuge jedoch unterstreichen. Schließlich ist die Zeit, als Ford mit Cosworth-Motoren in Fahrzeugen wie Sierra oder Escort einen Ruf in diesem Sektor zu verteidigen hatte, noch nicht allzu lange her.

Text: Jürgen C. Braun / Fotos: Bernhard Schoke

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