Er schuf nicht nur das Gesicht der Marke, er war ihr Gesicht. Das Gesicht von BMW. Chris Bangle, ein Mann, der polarisierte, der nichts Gewöhnliches schuf. Konvexe, konkave Formen. Widersprüchlich und dann doch wieder harmonisch auflösend und in sich ruhend. Der Star-Designer war auch im Exklusiv-Interview für das KÜS-Magazin ein gefragter Mann. Die einen liebten den Feuerkopf, die anderen lehnten ihn genau mit der Leidenschaft ab, mit der Chris Bangle zu Werke ging.
Jetzt aber ist plötzlich alles Geschichte. Die Meldung kam knapp, für viele überraschend und ohne dass ein Hintergrund erkennbar war: Nach fast 17 Jahren gemeinsamer Designentwicklung bei der BMW Group übergibt Christopher E. Bangle (oberes Foto), Direktor BMW Group Design, den Stab an Adrian van Hooydonk (unteres Foto), Leiter Design BMW Automobile. Bangle hat maßgeblich zum Erfolg des Unternehmens beigetragen und mit seinen Teams einen klaren ästhetischen Weg in die Zukunft gewiesen.
Dass der 52-Jährige innerhalb des Vorstandes der BMW Group nicht nur Freunde, sondern auch Neider hatte, war seit langem ein offenes Geheimnis. Vor allem den Traditionalisten im Haus des Münchner Autobauers war der unkonventionelle Bangle ein Dorn im Auge. Der gebürtige Amerikaner leitete seit Oktober 1992 die Design Entwicklung bei der BMW Group. Seine Karriere begann er nach früher Ausbildung an der University of Wisconsin und am Art Center College of Design in Pasadena 1981 bei der Adam Opel AG in Rüsselsheim. 1985 wechselte er zu FIAT und wurde 1992 Direktor FIAT Centro Stile. Kurz darauf verließ er den italienischen Konzern in Richtung München.
Der damalige BMW-Entwicklungschef Wolfgang Reitzle hatte den Stardesigner Anfang der 90er Jahre zu BMW gelotst, um das in die Jahre gekommene Münchner Design peppiger zu machen. Was ihm in vollem Umfang gelang. Bangle ging seinen Weg, legte sich mit etlichen Vorstands-Chargen an, auch als sein Mentor Reitzle das Haus längst Richtung England und später zu Linde als Vorstandschef verlassen hatte.
Von sich selbst und der unprätentiösen Strahlkraft seines Schaffens und Wirkens eingenommen, knurrte der Barbarossa Bangle noch unlängst bei der Präsentation des neuen 7ers von den goddamn management idiots. Und das voller Inbrunst und ohne Scheu. Bangle pflegte das Image des durchgeknallten Briten mit Verve und Liebe, rieb sich mit immer größerer Begeisterung auch an renommierten Designer-Kollegen, die ihn als Gottvater der shit ugly cars sahen.
Zum Verhängnis wurde ihm die avantgardistische Vorstellung des 7er Flaggschiffs im Jahre 2001, die die finanzschwere Chefarzt-Kundschaft der Münchner eher in Angst und Schrecken versetzte, als dass sie dort Begeisterungsstürme ausgelöst hätte. Von diesem Zeitpunkt an verlor er an Einfluss. Sein Nachfolger, der 44 Jahre alte Niederländer Adrian van Hooydonk, hat bereits die Konzeptstudie PAS, die auf dem Genfer Autosalon Anfang März Weltpremiere hat, entwickelt.
Das Feuerkopf-Charisma seines Vorgängers freilich fehlt ihm noch. Der will in Zukunft seine spleedy und creative Eleganz (Original Bangle-Denglisch) an Büromöbeln, Computern oder Küchenmixern austoben. Holy shit, das könnte spannend werden!
Text: Jürgen C. Braun / Fotos: BMW