Volvo: 50 Jahre Dreipunkt-Sicherheitsgurt

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Eine heute selbstverständliche Sicherheitsvorrichtung im Auto wird 50: Der Dreipunkt-Sicherheitsgurt geht zurück auf den Schweden Jens Bohlin.

Geboren 1920 in Härnösand, startete er seine Karriere 1942 bei Svenska Aeroplan Aktiebolaget (SAAB) als Flugzeugingenieur. Ab 1955 war er verantwortlich für die Entwicklung von Schleudersitzen und anderen Sicherheitseinrichtungen für Flugzeugpiloten. Schon damals ging Bohlin der Frage nach, wie der menschliche Körper bei extremen Verzögerungen bestmöglich zu schützen sei. 1958 stellte ihn der damalige Volvo-Präsident Gunnar Engellau als Sicherheitsingenieur ein.

In der zweiten Hälfte der Fünfzigerjahre hatte Volvo verschiedene Lösungen entwickelt, um Fahrzeuginsassen bei einem Aufprall vor dem Kontakt mit Innenraumkomponenten zu schützen und die Schwere von Verletzungen zu begrenzen. So entstanden die verformbare Sicherheitslenksäule, gepolsterte Armaturentafeln und Befestigungspunkte für diagonale Zweipunktgurte an den Vordersitzen.
Bereits 1957 rüstete Volvo seine Modelle mit standardmäßigen Verankerungen für den Zweipunkt-Diagonalgurt aus, der allerdings nicht das gewünschte Sicherheitspotenzial bot: Die Gurtschnalle befand sich auf Brustkorbhöhe der angeschnallten Person, die Verletzungsgefahr für innere Organe war deshalb größer als die Schutzwirkung.
Volvo-Präsident Engellau konnte eigene Erfahrungen einbringen. Ein Verwandter war bei einer solchen Gelegenheit zu Tode gekommen, eine Ursache dafür waren die Sicherheitsmängel des Zweipunktgurtes. Er betraute Bohlin mit der Aufgabe, eine bessere Alternative zu entwickeln.

Schnell kam Bohlin zu der Erkenntnis, dass Ober- und Unterkörper der angeschnallten Person mit jeweils einem Brust- und einem Hüftgurt separat gesichert werden mussten. Die größte Herausforderung lag darin, eine Lösung zu finden, die sich einhändig bedienen ließ.
1958 wurde das Ergebnis seiner Arbeit, der Dreipunktgurt, zum Patent angemeldet. Die Besonderheiten: Hüft- und Oberkörper-Diagonalgurt waren aus physiologischer Sicht optimal angeordnet: Der Gurt verlief über Becken und Brustkorb, die Verankerung befand sich in niedriger Position seitlich am Sitz. Die Gurtgeometrie formte ein V, dessen Spitze auch unter Last in Richtung Fahrzeugboden zeigte.
Darin lag der entscheidende Vorteil gegenüber der früheren Dreipunktlösung des Typs Y (Griswold-Design). Bohlins Gurt war mehr eine Demonstration geometrischer Perfektionierung als eine grundlegend neue Innovation. Kurz darauf kam sie weltweit zum Einsatz, da Volvo das Patent umgehend allen Automobilherstellern zur Nutzung freigab.

1959 wurde der patentierte Dreipunktgurt in den Volvo-Modellen Amazon (120) und PV 544 – dem Buckel – in den nordeuropäischen Märkten eingeführt. Die Menschen hatten damals die eigenartige Vorstellung, dass allein der Aufenthalt im Fahrzeugfond vor den Folgen einer Kollision schütze – gefährdet waren nach dieser Auffassung nur Fahrer und Beifahrer. Tatsache ist aber: Die Fahrgäste auf der Rückbank werden bei einem Aufprall mit einer Kraft von drei- bis fünf Tonnen vorwärts geschleudert und stellen damit ein hohes Verletzungsrisiko für sich selbst sowie für Fahrer und Beifahrer dar. Heute ist die Gurtpflicht auf den Rücksitzen gesetzlich geregelt und in vielen Ländern eine Selbstverständlichkeit.

Nils Bohlin ging weiterhin der Verbesserung von Sicherheitsfeatures im Auto nach, seine Anstrengungen resultierten in einer patentierten Technologie, die heute unter dem Kürzel SIPS (Side Impact Protection System) bekannt ist. Auch nach seinem Eintritt in den Ruhestand 1985 wurde Nils Bohlin in komplizierten Entwicklungsfragen immer wieder konsultiert. 2002 erlag er im Alter von 82 Jahren den Folgen eines Schlaganfalls.

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