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Coralie Clément: Toystore (Bambi Rose/EMI Music Germany)

Eigentlich ist sie die kleine Schwester von Frankreichs Pop-Erneuerer Benjamin Biolay. Auf ihrem bezaubernden Debütalbum La Salle des pas perdus aus dem Jahr 2001 entpuppte Coralie Clément noch als kokette Erbin von Jane Birkin, Françoise Hardy und Astrud Gilberto. Auf Toystore indes war der große Bruder dann doch wieder der Hansdampf…

Der Albumtitel Toystore verrät das Konzept des Albums, dessen Kompositionen alle bis auf Reine des pommes (Cover des 1983er Hits der belgisch-französischen Sängerin Lio) von Biolay stammen, der auch alle Instrumente spielt, deren ungewöhnliche Auswahl das besondere Flair der zwölf Songs ausmacht. Alle 22 säuberlich im Booklet aufgelisteten Musikinstrumente stammen tatsächlich mehr oder weniger aus dem Spielzeugladen und könnten wahrlich jede Kinderparty perfekt beschallen. Die Palette reicht von Ukulele, Melodica, Taschentrompete und Baby-Farfisa bis hin zu Shaker, Triangel und Xylophon.

Verspieltheit ist Trumpf: So ist etwa der Opener L'effet Jokari ein Lied über jenes Ballspiel, das ursprünglich aus den USA stammt und in Frankreich Kultstatus erlangte. Jokari ist ein an einem Gummizug befestigter Ball, den man abwechselnd zu treffen sucht. Während das flott von Ukulele und Flöte angetriebene C'est la vie an jenen lebensfrohen World Pop erinnert, der in Manu Chao seinen führenden Protagonisten hat, gibt es auf Toystore auch den einen oder anderen wehmütigen Song, allen voran Je ne sens plus ton amour, ein eindringliches Duett mit Frankreichs Pop-Legionär Étienne Daho. Wer bei dieser Pianoballade nicht für ein paar Momente berührt innehält, müsste schon ein Herz aus Stein haben. Die besinnliche Ode auf das Ende einer Liebe besitzt die faszinierende Schlichtheit und Kraft einer Bach-Sonate. Share The Day, der einzige englischsprachige Song des Albums, wirkt dagegen wie ein Wiegenlied aus einer Spieluhr. Die Lyrics stammen übrigens von Chiara Mastroianni, der Lebensgefährtin von Benjamin Biolay, die auf der ebenfalls von ihr verfassten, italienischen Akustik-Dub-Perle Sono io auch als Coralies Duettpartnerin fungiert. Im Toystore stehen lautmalerische Wortspiele (On était bien) und verbales Ringelreihen (Houlala) gleichberechtigt neben luziden Stadtansichten in Moll (Paris dix heures du soir) und Reggae als handgefertigtem Mobile (So long Babylone). Das von einer einsamen Melodica begleitete Finale dieses possierlichen Wunderwerks: Tu seras à moi.

Er wolle keine Musik machen, die in irgendeiner Weise an alte Schuhe erinnert, hat Benjamin Biolay einmal – sinngemäß – gesagt. Was er unter dem Gegenteil dessen versteht, beweist er hier im Zusammenspiel mit seiner Schwester, die – rein künstlerisch – aus dem etwas verniedlichend klingenden Attribut kleine Schwester eindeutig herausgewachsen ist.

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