Was wird aus Spa-Francorchamps?

Beitragsbild
Foto 1
Foto 2
Foto 3
Foto 4

Die Formel 1 verabschiedet sich für dieses Jahr so langsam aus Europa: Bevor es nach Monza zum Großen Preis von Italien geht, wird am 7. September, in Spa-Francorchamps der Große Preis von Belgien ausgetragen. Wer noch einmal ein Rennen auf einem der letzten Traditionskurse der Formel 1 sehen möchte, der sollte am Wochenende hinfahren. Denn die Ardennen-Autobahn wird es mit dem derzeit anspruchsvollen Streckenprofil vermutlich nicht mehr lange geben.

7,004 Kilometer durch die Ardennen. Hoch und tief, kreuz und quer. Volle Lotte durch Eau Rouge und Blanchimont. Kurvennamen, die im Geschichtsbuch der Formel 1 fest verankert sind. Ein paar Hundert Meter welliger Asphalt, die von den Heldentaten kühner Männer in schwer zu bändigenden Automobilen erzählen. Spa-Francorchamps ist nicht umsonst die Lieblingsstrecke der wahren Champions, weil dort Mut und Können, Lust und Leidenschaft in Vollendung gefordert werden.

Mit der Herrlichkeit von Schumis Wohnzimmer aber könnte es alsbald vorbei sein. Denn die derzeit längste Grand-Prix-Strecke mit ihrem eigenständigen Charakter ist im eintönigen und einförmigen Reigen der seelenlosen Formel-1-Nudeltöpfe offenbar ein Relikt, das aus Sicht findiger Marketing-Strategen zum Überleben nicht mehr taugt. Fernseh- und deshalb auch Sponsoren-untauglich, sind die bunt bepflasterten, rasenden Litfasssäulen im Geschlängel der Ardennen-Höhen viel zu selten und auch viel zu schlecht präpariert auf der Mattscheibe präsent.

Spa stand schon des Öfteren unter Druck (Tabakwerbeverbot, Insolvenz der Veranstalter), mittlerweile ist Formel-1-Boss Bernie Ecclestone selbst Promotor, hat den Vertrag mit Spa im Juni bis 2012 verlängert. Doch der geschäftstüchtige Brite weiß, wie man Betreiber unter Druck setzt. Im Zeitalter von Hatz durch den Hafen Marke Valencia oder von spektakulären Nachtrennen vor illuminierten Skylines sind die Meriten und Moritaten einer glorreichen Vergangenheit keinen Cent mehr wert.

Schon im vergangenen Jahr forderte Big Bernie Modernisierungsmaßnahmen bevor er das Rennen wieder in den Kalender aufnahm. Boxenanlage, die Bus-Stop-Schikane und die Haarnadelkurve La Source wurden modifiziert. Jetzt soll die Strecke bis zum nächsten Jahr oder in einem Zweitstufenplan bis 2010 verkürzt und damit werbeträchtiger gemacht werden. Insgesamt sechs Kurven sollen nach der Puhon, der zwölften Kurve, wegfallen. Die Streckenabschnitte Stavelot und Blanchimont wären damit nur noch Motorsport-Patina. Doch die Ferraris, McLarens und Konsorten würden halt öfter – und wahrscheinlich ohne störende Tannenwipfel – ihre Kringel auf dem flurbereinigten Ardennen-Asphalt drehen.

Formel-1-Freunde vom Alten Schlag sollten sich die vielleicht (vor)letzte Gelegenheit nicht entgehen lassen, ein Monument der Formel-1-Geschichte noch einmal in natura zu bewundern. Ein raues und ruppiges, aber auch von rustikalem Charme geprägtes Fossil aus einer Zeit, als Rennstrecken noch nicht in Fließband-Manier am Reißbrett oder am Computer entworfen wurden. Es droht eine Flurbereinigung bis zum bitteren Ende: die Zwangsverschlankung zum Nudeltopf.

Text: Jürgen C. Braun, Fotos: Bernhard Schoke

Nach oben scrollen