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Zugegeben, das große, unübersehbare L in der ovalen Einfassung am Kühlergrill ist keine alltägliche Erscheinung auf Deutschlands Straßen. Das L für Lexus, die Edelmarke aus dem japanischen Toyota-Konzern, ist auch gut 20 Jahre nach dem Erstlingsauftritt hierzuland ein ziemlicher Exot. Lexus tut sich – ungeachtet der Qualität seiner Fahrzeuge – auf dem deutschen Markt immer noch schwer, wo anderenorts die große Akzeptanz bereits weltweit eingesetzt hat. Das mag an der vergleichsweise zahlenmäßig geringen Klientel von Interessenten liegen, die sich in Deutschland für einen Hersteller interessieren, dessen Modellpalette einen Durchschnittswert von 278 PS aufweist.

Eine neue Baureihe soll das Interesse an den Edelkarossen aus Fernost nun noch steigern, obwohl diese nicht gerade geeignet erscheint, Lexus irgendwann einmal in die Kategorie der Brot-und-Butter-Autos einzureihen. Der heilige Berg der Japaner, der Fujijama war Namensgeber für die F-Baureihe, unter deren Label in Zukunft besonders leistungsstarke Fahrzeuge angeboten werden. Am Fuße des Fujijama steht auch jene Rennstrecke, auf der der IS F seinen Feinschliff erhält, die ultimativen Testrunden mit dem Sportler gedreht werden, der BMW M3 oder Mercedes AMG das Leben schwer machen soll. Auch in Deutschland versteht sich.

Der neue Lexus IS F signalisierte uns schon beim ersten Beschnuppern, was er an emotionalem Fahrspaß unter der Motorhaube verbirgt. Von der Mittelklasse-Limousine IS, auf der der das Fujimobil basiert, ist außer der Silhouette und den immer noch recht stimmigen Proportionen nicht viel übrig geblieben. Der Aufbau der Sport-Version ist zwar steifer, aber nicht leichter geworden, 1,7 Tonnen bringt der 270 km/h schnelle Lexus (hier greift die Elektronik ein) immer noch auf die Waage.

Der IS F gibt sich nicht vornehm zurückhaltend, sondern kommt gleich zur Sache. Große Lufteinlässe, fast schon pausbäckige Kotflügel-Verbreiterungen, massige 19-Zöller, vier Auspuffendrohre, die kleinen Baumstämmen nicht unähnlich sind. Dazu als optisches I-Tüpfelchen ein Powerdome auf der Haube. Die äußere Erscheinung ist schon recht martialisch. Gegenüber der Karosserie, die ganz klar auf die Zielsetzung des Fahrzeugs hindeutet, haben sich die Lexus-Leute im Innenraum doch etwas mehr Zurückhaltung und sanfte Noblesse auferlegt. Qualitativ hochwertige Kunststoffe mit Karbon-Zierteilen, von der Passform her hervorragende Sportsitze, und eine Mittelkonsole, die mit der Fülle ihres mitunter etwas unübersichtlichen Angebotes an die normale Limousine erinnert. Hier ist deutlich mehr Understatement angesagt.

Übertroffen wird die wuchtige dynamische Erscheinung noch von der Akustik des 423 PS starken V8-Aggregats, dem die Klang-Designer seine unverblümte Charakteristik gelassen haben. Heftiges Röhren und Schreien in den oberen Drehzahlbereichen, sanftes aber erwartungsvolles Grummeln im Leerlauf. Bei 505 Newtonmeter Drehmoment entfaltet sich eine beeindruckende Tonskala.

Das Aggregat im IS F basiert auf dem 5-Liter-V8 aus dem LS 600h, wurde aber in dieser Version überarbeitet. An der aufwändigen kombinierten Saugrohr- und Direkteinspritzung wurde nicht herum gefummelt. Zudem wurden die Einlasskanäle und der Ventiltrieb mit Einlassventilen aus Titan den höheren Drehzahlen angepasst. Um auch bei extremer Querbeschleunigung die Ölversorgung sicher zu stellen, wird das überschüssige Öl wieder aus dem Zylinderkopf abgesaugt und zurück in die Ölwanne gepumpt.

Seine Daseinsberechtigung bezieht der IS F jedoch nicht (nur) aus seiner Erscheinung, sondern vor allem wegen seines ausgesprochen großen und ungetrübten Fahrgenusses. Auf den breiten Niederquerschnittsreifen (225/40 vorn, 255/35 hinten) zeigt der IS F, dass er eine gelungene Synthese von Rennsport und Alltagstauglichkeit bildet. Der Wagen offenbart große Spurtreue, ist auch bei hohen Geschwindigkeiten extrem ruhig, wirkt agil und ein wenig untersteuernd. Die Lenkung ist zwar sehr leichtgängig, aber doch auch äußerst präzise. Das Regelsystem mit Namen Sport-VDIM muss kaum eingreifen, das Sportfahrwerk darf als guter Kompromiss bezeichnet werden. Es bietet nicht nur kernige Rückmeldungen, sondern darüber hinaus ausreichend Komfort im Sinne einer Limousine.

Eine Wucht ist das Lexus-Automatik-Getriebe. In der Automatik-Stellung wechselt es die acht Gänge wie eine herkömmliche Wandlerautomatik: kaum spürbar und trotzdem ohne Verzögerung. Im manuellen Modus dagegen, wenn der Fahrer mit den Lenkrad-Schaltwippen arbeitet, wird der Drehmomentwandler überbrückt. Dann erfolgen die Gangwechsel zupackend und punktgenau wie einem Direktschaltgetriebe.

Sportliche Limousinen mit mehr als 400 PS sind kein billiges Vergnügen, das ist auch beim Lexus IS F nicht anders. Die Grundversion beginnt bei 69.600 Euro, womit der edle Toyota etwa 5.000 Euro über dem viertürigen BMW M3 liegt. Etwa 200 Fahrzeuge dieser neuen Lexus-Kategorie sollen per anno an den Interessenten gebracht werden. Überschaubar, sollte man meinen. Indes: Dieses Segment liefert nun mal keine Million-Seller.

Text: Jürgen C. Braun

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