Nutzfahrzeuge: Vertrieb macht Kooperation zwingend

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In Europa stehen die Vertriebs- und Servicenetze für Nutzfahrzeuge zunehmend unter Veränderungsdruck. Neue Technologien, Serviceverträge, Mobilitätsgarantien und Kundenbedürfnisse verlangen höhere Anforderungen. Dagegen sind die Umsätze pro Stützpunkt im Flächenbetrieb und in den Service-Outlets rückläufig. Der Ausweg: Kooperationen seien ein Weg, diese Aufgaben zu lösen. Das belegt die aktuelle Oliver Wyman-Studie Nutzfahrzeug-Kooperationen in Service und Vertrieb.

Das Service- und Vertriebsnetz mache rund 20 Prozent der Gesamtkosten eines Lkw-Herstellers aus, 30 Prozent davon böten jedoch keine direkte Wertschöpfung. Bei allen Unternehmen seien Standorte und Vertriebsstrukturen historisch gewachsen. Dabei folgen Netzdichte, Stützpunktauslegung, Steuermöglichkeiten und selbst erbrachte Dienstleistungen nicht immer einer übergeordneten strategischen Logik. Um ihr bestehendes lokates Geschäft nicht zu gefährden, zögerten Hersteller bislang, ihr Service- und Vertriebsnetz europaweit nach einer einheitlichen Strategie auszurichten. Doch der Handlungsbedarf wächst.

Kooperationen seien ein Weg, um der Schere aus steigenden Anforderungen und sinkenden Umsätzen zu entkommen. So könnten kostengünstig neue Dienstleistungen angeboten und Infrastrukturen gemeinsam genutzt werden. Bereits gegenwärtig geben 70 Prozent der Branchenunternehmen an, häufig Kooperationen einzugehen: So das Branchen-Informations-Center von Mercedes-Benz, wo in Zusammenarbeit mit Aufbauherstellern Komplettfahrzeuge getestet werden. Oder die Zusammenarbeit von MAN und Europcar zur Ersatzfahrzeugbereitstellung. Seltener sind Kooperationen mit anderen Branchen, etwa in Form der Iveco Finance Holdings, einer gemeinsamen Gesellschaft von Iveco und der Barclays Bank. 30 Prozent der Lkw-Hersteller kooperieren gelegentlich mit einem branchenfremden Unternehmen, nur zehn Prozent regelmäßig.

Selbst Kooperationen mit anderen Lkw-Marken – bislang ein Tabu – sind denkbar geworden. 50 Prozent der Befragten arbeiten gegenwärtig partiell mit Wettbewerbern in Service oder Vertrieb zusammen; jedoch in der Regel nur bei nicht konkurrierenden Fahrzeugsegmenten oder innerhalb eines Konzerns, wie beim punktuell gemeinsamen Service von Renault und Volvo. Die Mehrheit der Manager der Branche konstatiert, dass die Marken dabei keinen Schaden nehmen. Die Studie belegt, dass die bisherigen Lkw-Kooperationen nur am Rande auf Kostensenkungen ausgerichtet seien. Ihre zentralen Ziele seien die bessere Markterschließung und die Verbreitung des Leistungsangebots in Richtung eines One-Stop-Shoppings. Während in Bezug auf die durch Kooperationen erlangte Angebotsverbreitung allgemein Zufriedenheit herrscht, wird das Ziel einer besseren Markterschließung nach eigener Einschätzung häufig nicht erreicht. Zudem berichten zahlreiche Unternehmen, ihre Kooperationsziele würden durch die nicht ausreichend definierte Prozesse nur teilweise oder gar nicht erfüllt. Weichen für den Erfolg, so die Studie, werden in frühen Konzeptphasen gestellt. Künftig müsse das Zusammenspiel aus Key-Account-Management, Flächen- und Branchenvertrieb neu bestimmt werden. Zudem sei die optimale Dichte und Qualität des Servicenetzes für jede Region zu analysieren und langfristig sicherzustellen.

Die Studie zeigt Kooperationsfelder auf: so mit branchenfremden Partnern wie Autovermietern, Telematik- oder Finanzdienstleistern, um kundenorientierten Dienstleistungen rund um das kaum noch differenzierte Produkt Lkw zu offerieren. Oder Kooperationen mit Wettbewerbern für gemeinsam betriebene Servicestützpunkte. Sie könnten helfen, dort Kosten zu senken, wo die Rentabilität für nur eine Marke kritisch ist. Solche Kooperationen seien besonders dort lukrativ, in denen die Kooperationspartner als Nischen-Player auftreten. Die Berechnungen der Studie zeigten, dass in einem mittelgroßen europäischen Markt für jeden Partner zweistellige Millionenbeträge eingespart werden könnten.

Text: Erwin Halentz, Fotos: Iveco, Mercedes-Benz.

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