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Jürgen C. Brauns Tour-Tagebuch – heute: Von Farben, feiern und fröhlich sein

STRASSBURG. Die 93. Auflage der Tour de France ging eigentlich schon einen Tag vorher los mit der Nachricht, dass sie für ihre vermeintlichen Favoriten gar nicht losgehen würde. Jan Ullrich, Ivan Basso, und andere prominente Fahrer oder auch einige der so genannten Wasserträger standen unter dem Verdacht des Blutdopings. Nun, das ist mittlerweile längst in allen Tageszeitungen und Magazinen verbreitet worden, und dass sich Fernsehen und Hörfunk der Geschichte mit Extra-Beiträgen angenommen haben, zeigt, dass sich Sensationen eben – seien sie nun positiver oder negativer Natur – immer noch am besten verkaufen lassen.

Blicken wir lieber nach vorn auf das, was noch kommen wird oder kann. Im Moment – und das ist dem scheidenden Tour-Direktor Jean-Marie Leblanc gar nicht so unrecht – beherrscht der Fußball mindestens zwei Drittel der Sportseiten aller großen Blätter, denn die Franzosen haben Weltmeister Brasilien bei der WM raus gehauen und sind jetzt wieder wer in der Sportart, in der sie noch vor weniger als einem Jahrzehnt als die Besten genannt wurden. Was übrigens auch unsere Nachbarn dazu veranlasst, die öffentlichen Vergnügungs-Veranstaltungen unter freiem Himmel mit der überdimensionalen Übertragung des Gekicke zu installieren.

Und dabei hat sich dann gezeigt, dass die Welt derzeit offenbar nicht nur in Deutschland bei Freunden zu Gast ist. Denn die Franzosen, sonst doch sehr auf die puristische Reinhaltung ihrer Muttersprache bedacht, haben doch wirklich aus dem deutschen Wort public viewing eine Verbalform instrumentiert, die sowohl Fragmente der eigenen als auch eben der von befreundeten Nationen beinhaltete. Viewing publique offenbarte uns eine nicht zu übersehende Ankündigung am Place Bordeaux im Startort Strassburg, an welcher Stelle sich des abends die Mitglieder der bauchnabel-gepiercten und steiß-tatöwierten Spiel-, Lach- und Trinkgesellschaft zu vergnügen pflegte.

Die Veranstaltung ging übrigens – vielleicht ja auch, weil die Franzosen nun mal gegen die Brasilianer gewonnen hatten – in schönster Harmonie über die Bühne und beim anschließenden obligatorischen Auto-Korso durch die Straßburger Innenstadt wurden dann nicht nur die Fußball-, sondern auch die Autofreunde zufrieden gestellt. Alles, was sich Renault, Citroën, Peugeot und dazu auch noch das ein oder andere Fremdfabrikat in den letzten 30 Jahren hatten einfallen lassen, wurde zum öffentlich Fahnen schwenken und Hupen-Jubel abkommandiert. Interessant dabei zu hören, dass die ziemlich verrostete Stimme eines alten deux chevaux eben noch ihren ganz eigenen, markanten Klang gegenüber dem akustischen Einheitsbrei des neuen Jahrtausends aufweisen kann. Da sich bei solcherlei kollektivem Freudentaumel Cabrios naturgemäß besonders gut machen, (nicht nur, aber auch wegen der noch weit vom Rentenalter entfernten Jubelarien-Interpretinnen) durften auch noch offene 504er aus dem Hause Peugeot neben einem schamhaft aus der benachbarten Ortenau über die Grenze gewechselten VW Käfer Cabrio bewundert werden.

Vom glücklichen Ausgang des Fußballspiels zehrten bei der ersten Etappe am Sonntag durch das Elsass auch die Angehörigen der französischen Gendarmerie, die die Tour (übrigens immer noch auf BMW-Motorrädern) begleiten. In ihren blauen Uniformen korrekt bekleidet, scholl ihnen von den Radsport-Fans oft der Ruf entgegen, mit dem auch die blau bekleidete Fußball-Nationalmannschaft angefeuert wird: Allez, les bleus.

Die Gendarmen werden die Tour bis zum 23. Juli nach Paris begleiten, und genau das werden wir auch tun. Bis zum nächsten Tour-Tagebuch, Ihr

Text und Foto: Jürgen C. Braun

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