Die Tour de France auf kues.de

Beitragsbild
Foto 1

Wer als Berichterstatter bei der Tour de France unterwegs ist, der muss nicht nur sehr viel Zeit einplanen, sondern sollte auch über ein dickes Nervenbündel verfügen und mitunter etwaige Folgeschäden von Blutdruck, Magen-Befindlichkeit oder Ähnlichem außer acht lassen. Ein paar wirksame Beta-Blocker können vielleicht ähnlich wie Sonnenschutz, Mücken-Spray oder Langenscheidts neuester Dictionnaire über die von einem freien Journalisten bezahlbaren französischen Restaurants am Atlantik wertvolle Dienste leisten. Unser Domizil in den ersten vier Tagen dieser 92. großen Schleife an der Atlantik-Küste lag in Les Sables d'Olonne, einem schaurig-schönen Ort in der Vendée. Die abendlichen Touristen-Abfüllstationen dort haben nicht nur die zweifelhafte Annehmlichkeit, dass sie in der Regel gegen 22.30 Uhr schließen. Sie bieten auch einen grandiosen Ausblick auf ein äußerst romantisches Hafenbecken mit grauschmutzigen Getreidesilos, Trockendocks und verrosten Kähnen, die ihre Wurzeln in der Gründerzeit der Résistance suchen. Hübsch, ausgesprochen, hübsch. Vor allen Dingen dann, wenn man seit 15 Stunden auf den Beinen ist, 250 Kilometer in den Reifen hat und mit dem fahrbaren Untersatz voller Wagemut von einem Kreisverkehr, den sie hierzulande rond-point nennen, zum nächsten gezuckelt. ist.

Da lechzt die durstige Kehle nach einem kühlen Blonden, ist unser Auto, mit dem wir zu dritt unterwegs sind, erst einmal abgestellt. Das in Frankreich übliche 1664 ist zwar nicht immer ein meisterliches Erzeugnis der Braukunst, aber durch durstige Kehlen rollt es im Schnelldurchgang. Nach drei Absagen (im ersten Restaurant saßen wir 15 Minuten vor einem schmutzigen unaufgeräumten Tisch, im zweiten gab es nur noch irgendwelche undefinierbaren CrSpes), bekamen wir doch noch etwas Warmes zwischen die Zähne. Und einen guten Roten aus der Vendée dazu. Das war so gegen halb zwölf. Beim Blick auf die Rechnung aber sollten dann spätestens die eingangs erwähnten Beta-Blocker ihre Wirkung nicht verfehlen. Für einen halben Liter Bier, höchstens ein bisschen abgestanden und nicht mehr, wollen die gastlichen Franzosen die Kleinigkeit von 6,30 Euro haben. Als Mittfuffziger (leider ein echter, kein Falscher), rechnet man immer noch in der guten alten D-Mark. Also, Hebel umlegen und click: Bald 13 Mark für eine Halbe! Uns dreien schwillt der Kamm und wir beschließen: Das nächste Helle in Frankreich kommt aus dem Supermarkt und wird in der Hoteldusche vorgekühlt.

Am Montag wenden wir der Atlantik-Küste den Rücken zu und machen uns auf in Richtung Loire-Tal. Da können wir wenigstens ein bisschen mit unseren französischen Kultur-Kenntissen prahlen: Blois, Chambord, das Wasserschlösschen Aizée-le-Rideau. Und all die anderen Kleinode nicht zu vergessen. Viel zu sehen werden wir davon alerdings nicht bekommen. Schließlich ist man, zwei Schreiberlinge und ein Fotograf, nicht zum Urlaub beim westlichen Nachbarn. Ach ja, bevor ich für heute schließe, fast hätte ich's vergessen. Eine etwas seltsame Auto-Begegnung gab es ja auch noch in den ersten Tagen. Zwischen all den offiziellen Škodas, Audis, Fiats und Iveco-Motorhomes versah auch ein MG Rover seine letzten Dienste. Den letzten britischen Automobil-Hersteller hat zwar vor geraumer Zeit die Insolvenz hinweg gerafft, immerhin aber hat es der 75 tourer doch noch geschafft, so einen bunten Aufkleber mit der Aufschrift voiture officielle zu ergattern. Sei's ihm gegönnt. Wir werden die tour a'dieu des Briten in Frankreich jedenfalls nicht beeinträchtigen.

Text: Jürgen C. Braun

Scroll to Top