Buchtipp der Woche

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Tim Renner: Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm! Über die Zukunft der Musik- und Medienindustrie.

Campus Verlag; 19,90 Euro.

Tim Renner war 22, als seine Karriere begann. Eigentlich hatte er sich nur bei einem Entertainment-Konzern beworben, um ein komplexes Business mehr oder minder zu entlarven. Nicht als Westentaschen-Wallraff, wie Renner rückblickend selbst schreibt, sondern aus einem Wahrheits- und Wahrhaftigkeitsdrang heraus.

Stattdessen hat Tim Renner eben dort, wo er zwecks Entlarvungen und Enttarnungen angetreten war, selbst Karriere gemacht. Dem fast kometenhaften Aufstieg folgte ein ebenso rasanter und überraschender Absturz.

Man könnte nun vermuten, Renner habe, mit fast 20 Jahren Verspätung, sein Enthüllungsvorhaben nun doch noch eingelöst. Weit gefehlt. Vom Alter her könnte der 39-Jährige durchaus mit der Schreibe eines jungen Wilden noch glaubhaft wirken. Darauf verzichtet er.

Stattdessen ist sein Buch ein wirklich beeindruckender Blick hinter die Kulissen der Musik- und Medienindustrie, wie es der Untertitel ausdrücklich verspricht. Beeindruckend ist sein Wissen um die Geschichte dieser Industrie, aus der er zahlreiche Beispiele schöpft. Zum Beispiel das von Chris Blackwell. Dessen Absicht war niemals eine große Karriere oder ein unüberschaubares Vermögen gewesen. Als reiner Musik-Enthusiast und kritischer Geist gelang ihm die Karriere doch. Mit sicherem Gespür für Talente und deren behutsame Begleitung machte Blackwell das Label Island Records zu einem Begriff von Weltgeltung.

Dieses und andere Beispiele legt er ausführlich, aber keineswegs langatmig dar. Renners Credo: Die Musik- und Medienindustrie als solche muss zwar auch profitabel sein. Ein Unternehmer muss auch rechnen können. So weit, so banal. Aber Renner setzt sich ausdrücklich für ein Miteinander von Rechenschieber und Talentsucher ein. Er warnt nachdrücklich vor der Beschränkung auf kurzzeitige Top-Acts, die auf lange Sicht weder den wirtschaftlichen noch den künstlerischen Erfolg gewährleisten. Seine Schreckensvision wäre die sich aus dem Musikgeschäft heraus verselbständigende Zahlenspielerei um des bloßen Geldes willen. Dazu gehört auch, dass er die Tonträger als solche unter die Lupe und ihre Zukunft in den Blick nimmt: Schellack, Vinyl, CD. Und dann?

Seine Vision eines Miteinander von Kreation und Kalkulation hat Tim Renner übrigens selbst schon ansatzweise verwirklichen können – mit dem erfolgreichen Motor-Label. Zu seinen Entdeckungen gehören unter anderem Element Of Crime – erst Außenseiter, heute anerkannt und überaus erfolgreich, auch kommerziell. Aus Renners Aktivitäten als Talentscout erklärt sich auch der Titel des Buches. Der ist einem Lied der Neue-Deutsche-Welle-Band Palais Schaumburg entliehen.

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