Buchtipp der Woche

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Konrad Beikircher: Palazzo Bajazzo. Ein Opernführer. Kiepenheuer & Witsch; 22,90 Euro.

Sie denken beim Stichwort Oper zuerst an Ihre graumäusige Musiklehrerin von damals, die immer ein Freude-verboten-Schild auf der Stirn zu haben schien? Dann ist dieser Opernführer genau das Richtige für Sie. Sie hatten gar keine graumäusige Musiklehrerin oder sind trotzdem zum Opernfan geworden? Auch dann dürften Sie Palazzo Bajazzo mit Gewinn lesen. Was Konrad Beikircher, Musikwissenschaftler und Kabarettist, in seinen Konzertführern begonnen hat, führt er in diesem Opernführer nach bewährtem Rezept weiter. Doch, doch, auch die Komponisten der so genannten E-Musik waren ganz normale Menschen wie du und ich, da mag die Musiklehrerin noch so streng geguckt haben. Nicht obwohl, sondern weil es so war, haben Erfahrungen und Eigenheiten die große Musikliteratur hervorgebracht, deren Wirkung bis heute anhält. Konrad Beikircher stellt sie auf keinen Sockel, wohl aber behandelt er sie mit Respekt. Das liest sich, zum Beispiel bei Mozarts Cosi fan tutte, so: Innerhalb der 24 Stunden, die das Experiment dauert, verlieren alle vier Beteiligten völlig ihr Gesicht und finden es nicht wieder. Da wird auch die hohe Kunst des Vergessens nicht viel helfen. Gerade das ist der Punkt, den die Oper zeigt: Dass es nämlich genau so ist und dass man – dies wissend – trotzdem heiratet, das ist das Grandiose an diesem Werk – weit vor allen psychologischen, soziologischen und tiefenpsychologischen Erhellungen. Cosi fan tutte – so machen's alle, aber so gradheraus, witzig und konkret analysiert wohl wirklich nur Konrad Beikircher große Musikwerke. Neben den Darstellungen der Inhalte gibt's jede Menge Information und Interpretation, gehaltvoll, aber nicht schwer leserlich dargebracht. Die graumäusige Musiklehrerin war gestern, Beikircher-Lesen ist heute – und ein genussvoller Opernbesuch könnte dann durchaus schon morgen auf dem Programm stehen.

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