Goldgrube Tour de France

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Wie die Automobilindustrie in diesem Jahr ihre neu gewonnenen Freiheiten einer millionenschweren Werbeplattform nutzte

Seit Sonntag ist die 91. Tour de France Geschichte. Sie brachte jedoch nicht nur mit dem historischen sechsten Erfolg in Serie des Amerikaners Lance Armstrong ein Novum, auch für die Automobil-Hersteller ergaben sich aufgrund eines neuen Reglements der die Tour veranstaltenden Amaury Sport Organisation (ASO) völlig neue Vermarktungsrichtlinien. Und die nutzten viele von ihnen für dieses dreiwöchige weltweite Spektakel weidlich aus.

20 Millionen geschätzte Zuschauer quer durch die Grande Nation hindurch, dazu ein Milliardenpublikum an den Bildschirmen: Ein idealeres Schaufenster, um für ihre Produkte zu werben, gibt es für die Wettbewerber in der Auto-Industrie nicht. Nachdem mehr als fünfzehn Jahre bei der Grande Boucle die automobile Einheitssprache durch das Engagement von Fiat auf italienisch begrenzt war, wurde das Reglement in diesem Jahr geändert. Die voitures officielles, also die offiziellen Begleitfahrzeuge wurden erstmals von Škoda gestellt, das damit auch einer der Hauptsponsoren dieses weltweit größten Freiluft-Spektakels war.

Erstmals aber wurde auch den Teams freie Hand gelassen bei der Wahl der Automobilmarke ihrer Service-Fahrzeuge und so bot sich während der 20 Tour-Etappen ein buntes Kaleidoskop quer durch die Automobilbranche. Optisch am auffälligsten waren sicherlich die magentafarbenen Audis aus Ingolstadt, die das deutsche T-Mobile-Team begleiteten. Wahrlich keine schlechte Wahl, denn das deutsche Vorzeige-Team gewann den Wettbewerb der im Gesamtklassement erfolgreichsten Equipe. Dabei werden die Zeiten aller in Paris angekommenen Fahrer gewertet und dann durch die Zahl neun dividiert. Neun Fahrer nämlich standen jeder Formation zum Auftakt der Tour de France am 3. Juli in Lüttich zur Verfügung.

Das zweite deutsche Team bei dieser Frankreich-Rundfahrt, die Sprudel-Radler vom Eifel-Rennstall aus Gerolstein setzte auf die Stilo-Kombis von Fiat, die auf ihren Fahrzeugen aber sinnigerweise auch Werbung für ein anderes Produkt ihrer Angebotspalette machten, nämlich für die Großraumlimousine Ulysse. Gerolsteiner-Teamchef Hans Holczer nutzte dabei seine freundschaftlichen Beziehungen zur obersten Chefetage der Fiat-Marketingabteilung zur beiderseitigen Zufriedenheit. Fiat bringt uns die komplett vorbereiteten Fahrzeuge an den Start, die Ausrüstung mit dem für unsere Fahrer notwendigen Equipment übernehmen wir dann, erklärte er.

Es fanden sich aber auch zahlreiche Exoten der Autobranche, die das Schaufenster Tour de France nutzten. So untermauerte Subaru beispielsweise seinen guten sportlichen Ruf, den es sich bei Rallye-Weltmeisterschaften erworben hatte, durch eine in der Tat gelungene Wahl seines Werbepartners, denn die Japaner unterstützten keine geringere Mannschaft als die des sechsfachen Tour-Siegers Lance Armstrong. Das US-Postal-Team war mit Kombis der Modellreihe Impreza ausgerüstet. Ein weiterer Hersteller aus Asien, der in Frankreich unterwegs war, ist Daewoo. Die jetzt zum GM-Konzern gehörenden Koreaner unterstützten die italienische Formation von Domina Vacanze.

Mit der MG Rover Group, die mit dem neuen 75 ZT-T die französische Equipe von Fdjeux begleiteten, war sogar ein britischer Hersteller mit auf der langen Reise über mehr als 3.000 Kilometer. Dass sich das finanzträchtige Gebaren offensichtlich rechnet, hat die Vorgehensweise des Auto-Hauptsponsors Škoda bewiesen. Die tschechische VW-Tochter sicherte sich ihren Alleinvertretungs-Anspruch bei den offiziellen Tourfahrzeugen für insgesamt vier Jahre bis zur Tour de France 2007. Kein Wunder, wenn man sich die folgenden Zahlen verinnerlicht:

Bei 135 Millionen Euro Umsatz kann die ASO in diesem Jahr wieder mit mehr als 15 Millionen Euro Gewinn rechnen. Alleine das Budget der Tour wird vom Wirtschaftsblatt Les Echos auf 75 bis 80 Millionen Euro geschätzt. Davon entfallen auf die Fernsehrechte 45 Prozent, das Marketing 37 Prozent und die Etappenstädte sechs Prozent. Die Rennställe tragen über Rechtegebühren zwölf Prozent bei. Den Sponsoren bietet die Tour eine Werbefläche im Wert von 9,5 Millionen Euro. Insgesamt 128,3 Millionen Euro haben Unternehmen 2004 in die 21 Rennställe investiert. 13 offizielle Partner gaben zwischen 300.000 und 700.000 Euro aus, um das Rennen als Werbeplattform zu nutzen.

Text: Jürgen C. Braun

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