Tour de France, Tour de moustache

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Foto 1

Die Tour de France als Berichterstatter mitzuerleben, ist immer ein Erlebnis. Sie allerdings an der Seite von Jürgen Burkhardt zu genießen, dafür könnte man Eintritt verlangen. Der schwäbische Motor- und Sportjournalist, auf dessen bunt bemaltem Daihatsu Gran Move ein großes Konterfei und die Webadresse bartweltmeister.de prangen, ist ein Unikum bei der Tour der Leiden. Der Radsport ist neben dem Motorjournalismus das große Faible des Mannes mit der prächtigen Manneszierde.

Ich weiß nicht mehr, das wie vielte Städtchen es war in diesen ersten Tagen der Tour de France 2004, das wir durchfuhren, aber die Szenerie war die gleiche wie überall: Begeisterte Menschenmengen am Straßenrand, die Häuser bunt geschmückt, allesamt in froher Erwartung der Helden der Landstraße harrend, die in vielleicht einer oder eineinhalb Stunden kommen sollten. Für einen Fotografen eine ideale Gelegenheit, um Feature-Fotos zu schießen. So war es kein Wunder, dass Jürgen Burkhardt zu mir sagte: Halt mal an, lass mich mal raus.

Aha, dachte ich bei mir, wohl wissend, was da wieder auf uns zukam. Und richtig: Kaum hatte Jürgen die Beifahrertür unseres Tour-Fahrzeuges, mit mindestens drei Kameras bewaffnet, verlassen, schwoll die brodelnde Geräuschkulisse zu orkanartigem Beifall an, und das uns wohl bekannte Quel Moustache!, Welch ein Bart!, machte die Runde. Es ist wenig erstaunlich, dass unser haariger Begleiter, wo immer wir auftauchten, Wellen des Erstaunens, um nicht zu sagen, des Entzückens auslöste. Jürgen Burkhardt, das heißt: Ein Leben für einen Bart.

Der 47-jährige Fotograf und Fotodesigner aus dem schwäbischen Leinfelden-Echterdingen Ortsteil Stetten, darauf legt er großen Wert, ist mehrfacher Weltmeister, Olympiasieger und weiß der Himmel, was nicht noch alles, der kaiserliche Backenbartträger. Tatsächlich trägt Burkhardt mit Sicherheit eine der schönsten Gesichtsverzierungen auf diesem Globus. Aber um welchen Preis. Jürgen ist immer der erste von uns, der morgens aufsteht und im Bad verschwindet. Etwa 45 Minuten benötigt er täglich zur Pflege seines Bartes. Als da wären bei der täglichen Prozedur: Waschen, kämmen, einrollen, drehen, mit Haarlack besprühen, föhnen, formen. Mit Engelsgeduld macht er das. Seit etwa 20 Jahren.

Eine Zahl, die Anlass zum Rechnen gibt. 45 Minuten Bartpflege pro Tag, das sind 315 Minuten in der Woche, 16.380 Minuten im Jahr und 327.600 Minuten in 20 Jahren. Oder in größeren Einheiten ausgedrückt: 5.460 Stunden oder 227,5 Tage in 20 Jahren allmorgendlich zur Bartpflege! Das Ergebnis allerdings ist beeindruckend, und so ist es auch kein Wunder, dass Jürgen Burkhardt, selbst ehemaliger aktiver Rennfahrer auf dem Rad, in der gesamten Szene bekannt ist wie ein bunter Hund. Egal, wo wir hinkamen, ob abends im Hotel bei Team T-Mobile oder im morgendlichen Village, wo sich Sponsoren, Journalisten, Fahrer, Funktionäre und lokale Größen treffen. Jürgen ist immer der Mittelpunkt. Das ist dann der tägliche Lohn für die allmorgendlichen Mühen vor dem Spiegel.

Wie selbstverständlich gab Burkhardt in diesem Jahr den deutschen Kollegen vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen wie auch denen von Antenne deux ein Interview, als er darum gebeten wurde. Im feinsten Schwäbisch, versteht sich, das wir anschließend auf dem Umweg über das Schriftdeutsch ins Französische übersetzten. Jürgen Burkhardt lichtet auf dieser Tour de France nicht nur die Prominenz ab, er ist selbst ein Teil davon. Nur, wenn es regnet, geht es Jürgen und dem Bart nicht so gut. Dann hängen die Zipfel nass und traurig herunter, und unserer schwäbischer Pracht-Backenbartträger ähnelt einem chinesischen Obermandarin der Ming-Dynastie. Ansonsten aber sind sie zwei prächtige Gesellen, Jürgen und sein Bart.

Text: Jürgen C. Braun, Fotos: www.bartweltmeister.de

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